Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
mit Brethherrin Lyssal«, sagte ich so leise, dass der Diener mich nicht hören konnte. » Ich muss nur schnell nach unten zum Hafen kommen. Tut mir leid, dass ich Euch geweckt habe.«
Ich wollte schon an ihm vorbeigehen, aber er packte mich am Arm und hielt mich zurück. Er war ein starker Mann. » Wartet. Ich komme mit.«
» Ich habe keine Zeit«, wandte ich ein.
» Rührt Euch nicht von der Stelle«, sagte er.
Er verschwand in seinen Gemächern, um sich anzuziehen; ich ging eilig weiter zum Palasteingang. Er holte mich ein, immer noch damit beschäftigt, sich das Hemd in die Hose zu stopfen und die Haare zurückzubinden, als ich gerade in die Schwinge trat.
Eine der Wachen schloss das Tor für uns. » Fertig?«, fragte der Mann.
Keren hatte seinen Umhang locker über einer Schulter hängen, die Finger in die Kapuze gehakt, doch er legte ihn sich nicht um, während wir uns nach unten bewegten. Ich fand das etwas seltsam, weil es hier draußen ziemlich kühl war. Ein forscher Wind peitschte über den Höllenbottich und fegte die Klippe herauf. Die Seile der Schwinge summten, und die Flaschenzüge ratterten und klapperten. Ich schluckte schwer, als die Vorrichtung im Wind schwankte.
Während wir immer tiefer nach unten sanken, lehnte Keren sich gegen die Reling und musterte mich abschätzend. » Also«, sagte er, » ich schlage vor, Ihr sagt mir jetzt, was das alles zu bedeuten hat.«
» Das ist eine private Angelegenheit«, schnappte ich, wobei ich nur zur Hälfte zuhörte. Ich hasste es, so hoch oben zu sein, wenn ich keine Flügel hatte. » Ich habe Euch nicht gebeten, mitzukommen.«
» Ich bitte um Entschuldigung.« Seine Stimme war so trocken wie eine Sanddüne in der Sonne.
Wir beäugten einander argwöhnisch; Misstrauen und ein seltsames Gefühl der Vertrautheit rangen in uns beiden miteinander. Je weiter wir nach unten kamen, desto stärker ließ die Silbmagie nach, die sonst um ihn herumwirbelte.
» Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir beide ehrlich miteinander sind«, sagte er schließlich.
Ich sah zur Seite, damit er mein Gesicht nicht sehen konnte. » Das kann ich nicht. Es tut mir leid. Es gibt Geheimnisse, die zu lüften nicht in meiner Macht liegt.«
» Wenn ich mein eigenes Geheimnis enthülle, würde ich dadurch sowohl Trysis als auch Devenys in Gefahr bringen«, sagte er. » Und doch bin ich bereit, das Risiko einzugehen.«
Ich zuckte mit den Schultern. » Bitte sehr.«
» Ohne Garantie, dass Ihr genauso entgegenkommend sein werdet?«
» Und welche Garantie hättet Ihr, dass ich das Versprechen wahre und das Geheimnis wirklich für mich behalte?«
» Stimmt.« Er schürzte die Lippen und dachte nach.
» Oh, das ist so lächerlich!«, rief ich aus. » Keiner von uns traut dem anderen. Wo kann das wohl hinführen?«
Er wechselte das Thema. » Wohin wollt Ihr so eilig?«
» Zur ghemfischen Enklave.«
» Zu welcher Enklave?«
Es war wieder mein furchtbarer Akzent. Ich betonte das Wort so deutlich wie möglich. » Der ghem-fi-schen.«
» Warum?«
» Weil ich Grund zu der Annahme habe, dass es einen Überfall auf sie geben wird.«
Er sah mich verständnislos an. » Einen Uferwall?«
Ich seufzte. » Ü…Über-fall. Von den Wachen. Auf sie. Mit dem Ziel, sie aus Brethbastei zu vertreiben.«
Er starrte mich an, als könnte er nicht glauben, was er gerade gehört hatte. » Hat der Basteiherr das befohlen?«, fragte er schließlich.
Ich nickte.
» Oder seine Frau?«
Ich schwieg.
» Wieso schützt Ihr sie? Ihr müsst wissen, was sie ist. Sie hat keine Macht, Euch zu bezwingen.«
Himmel, dachte ich, er weiß, dass sie eine Dunkelmagierin ist. Ich zitterte und hielt mich am Geländer fest, um meine Angst zu verbergen. Er musste ein Wahrer sein. Alles andere ergab keinen Sinn. Und dann traf mich die Erkenntnis mit voller Wucht. Jene Nacht im Büro des Sekurias: ein Silblicht, zwei Menschen. Einer von ihnen war in der Lage gewesen, das Licht zu sehen, das der andere erschaffen hatte…
Die Schwinge erreichte jetzt die Umsteige-Plattform, was es mir ersparte, auf diese schwierige Frage eine Antwort zu finden. Eine Wache trat vor und öffnete die Tür. » Wir fahren nach ganz unten«, erklärte ich dem Mann. Er nickte und deutete auf die Stelle, wo die Schwinge für den nächsten Abschnitt bereits an einem anderen Felsblock mit einem eigenen Flaschenzug wartete.
Keren und ich schwiegen, bis wir uns mit der Schwinge wieder weiter nach unten bewegten. » Beantwortet meine Frage«,
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