Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
sagte er.
» Was veranlasst Euch zu glauben, dass sie eine Dunkelmagierin ist?«, entgegnete ich.
Er antwortete nicht.
Ich starrte ihn an und versuchte, die Silbmagie mit Hilfe des schwachen Lichts der Öllampe zu durchdringen. » Weißbewusstsein«, sagte ich und kam mir dumm dabei vor. » Ist Trysis eine Wissende?« Nur Wissende konnten das Silblicht von jemandem erkennen. Sie müssen gemerkt haben, dass ich ein Wissender bin.
Er sagte nichts darauf, und wir schwiegen, bis wir die nächste Umsteige-Plattform erreicht hatten. Meine Gedanken rasten, während ich versuchte, das fehlende Stück in dem Ganzen zu finden. Wir wechselten wieder die Schwinge, nachdem wir einen kurzen Streit mit den Wachen darüber hatten, ob wir bezahlen mussten oder nicht.
» Ihr habt recht«, gab ich schließlich zu, als sich die Schwinge wieder in Bewegung setzte. » Wir müssen offen zueinander sein. Aber nicht jetzt, nicht hier. Wenn wir zum Palast zurückkehren. Im Augenblick habe ich das Problem, dass ich die Ghemfe davor warnen muss, dass sie in Schwierigkeiten stecken könnten. Ich vermute, dass der Überfall in der Dämmerung stattfinden wird– wenn das Ganze nicht schon heute Nacht passiert ist.«
» In den Dämmen? Oh, in der Dämmerung. Ja, das ist die übliche Vorgehensweise bei Wachen. Angriffe frühmorgens wirken demoralisierend. Wie genau lauten die Befehle?«
»› Mit allen verfügbaren Mitteln dafür zu sorgen, dass sie aus der Stadt verschwinden. ‹ «
» Beim Graben in der Tiefe! Warum?«
» Ich kann nur raten; es könnte Geld sein. Silbmagier benutzen Gold, Silber und kostbare Edelsteine für ihre Bürgerschaftstätowierungen. Oder es liegt daran, dass die Ghemfe die Instrumente sind, durch die die jeweiligen Inselreiche ihre eigene Identität erhalten. Ihre Nationalität. Breth hat vor, sämtliche Mittelinseln zu unterwerfen und unter dem Banner von Breth zu vereinigen. Tätowierungen erinnern an Trennlinien, die Breth ausradieren will.«
Er schwieg wieder; anscheinend dachte er über meine Worte nach. » Wir haben viel zu besprechen, Ihr und ich, Kaulquappe. Und das ist nicht Euer richtiger Name, oder?«
» Nein«, sagte ich. » Mein Name ist Ruarth.«
» Ruhe?«
Ich nickte. Es war nah genug dran.
20
k
Erzähler: Ruarth
Kaum hatten wir die Schwinge im Erdgeschoss verlassen, lief ich auch schon in Richtung Mündung des Kolkflusses. Ich wollte so schnell wie möglich dorthin, aber richtig zu rennen hätte nicht viel gebracht– immerhin waren es bis zur Flussmündung etwa drei Meilen.
Keren ließ seinen Umhang bei den Wachen der untersten Schwinge zurück, und jetzt sah ich auch, warum er ihn überhaupt mitgenommen hatte. Das Kleidungsstück hatte ein Schwert und einen Harnisch verborgen. Wie Glut zog er es vor, das große Schwert in einer klappbaren Scheide auf dem Rücken zu tragen. Er war körperlich hervorragend in Form und hatte keinerlei Probleme, mit dem schweren Schwert auch noch zu laufen. Was mich betraf, war ich froh, dass mein wochenlanges Treppensteigen es mir ermöglichte, überhaupt mit ihm mitzuhalten.
Auch so erhellte sich der Himmel bereits, als wir bei der Enklave ankamen– und die Wachen waren schon da. Wir bogen um eine Ecke und stießen gegen zwei Männer, deren Aufgabe es war, jeden aufzuhalten, der auf diesem Weg daherkam. Weiter vor uns befanden sich die Wohnhöhlen der Ghemfe. Noch während wir ankamen, hörten wir einen Schrei, dann sahen wir schemenhaft eine graue Gestalt aus einer der Höhlen rennen und sich in den Fluss stürzen. Keren spannte sich an, was die Wachen bemerkten, die daraufhin das Schwert des Heilers beäugten und ihre eigenen Waffen zogen.
Ich trat eilig dazwischen. » Ich bin der Stallmeister von Brethherrin Lyssal«, sagte ich, » und dieser Mann ist der persönliche Heiler des Basteiherrn und seines Hofes. Wir sind hier, um die Operation zu überwachen und dafür zu sorgen, dass es keine Opfer gibt.« Das letzte Wort klang fast wie » Hopfen«, und ich versuchte, es zu wiederholen, aber ich verunstaltete es nur noch mehr.
» Opfer«, sagte Keren rasch, als die Männer verblüfft dreinblickten. » Brethherrin Lyssal möchte, dass niemand verletzt wird.«
Einer der Männer lachte. » Dann kommt Ihr zu spät, schätze ich. Unsere Befehle lauteten, die Ghemfe von hier wegzuschaffen– und zwar nicht zu früh, wenn Ihr mich fragt. Und wenn sie so dumm sind, sich zu wehren…« Er zuckte mit den Schultern. » Dann bekommen sie, was sie
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