Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Ghemfe mehr. Vermutlich hatten sie nicht darauf gewartet, welches Schicksal die Soldaten für sie bereithielten, sondern waren schleunigst im Fluss verschwunden. Als wir die letzte Wohnhöhle erreichten, schichteten die Soldaten ein paar armselige Habseligkeiten vor der ersten Tür auf. Abgesehen von Edelsteinen und Werkzeugen, die für Tätowierungen benutzt wurden, gab es kaum etwas.
» Vier erwachsene Tote«, sagte Keren, » und ein Kind. Und das alles für ein paar kostbare Steine und ein bisschen Metall.« Ich dachte an Flamme. Daran, wie sie jemals lernen könnte, damit zu leben, sofern es uns gelang, sie zu retten.
Keren sagte nichts. Er verließ die Höhle und ging quer über die Straße zum Flussufer. Dort kniete er sich hin und tauchte seine Hände ins Wasser, um sie zu waschen. Er rieb kräftig seine rechte Handfläche, und ich glaubte, ich hätte etwas Goldenes aufblitzen gesehen. Ich trat hinter ihn. Da war ein sanftes Wirbeln im Wasser, und dann tauchte ein einzelner Kopf auf. Ein graues Gesicht stieß durch dahintreibende Stränge aus Seetang. Es kam mir so vor, als wäre es der gleiche Ghemf, mit dem ich damals gesprochen hatte, als ich zum ersten Mal zu dieser Enklave gegangen war. Er und Keren starrten einander an. » Es tut mir so leid«, sagte Keren. » Wir sind zu spät gekommen, um euch zu warnen.«
» Die Leichen«, sagte der Ghemf. » Gebt uns die Leichen.«
Keren nickte und ging weg. Ich blieb mit der Kreatur allein zurück.
» Warum?«, fragte er.
» Dunkelmagie.« Ich hockte mich hin, um mit ihm zu sprechen. » Die Dunkelmagie einer umgewandelten Silbin, die ihre Macht gefunden hat…«
» Sie muss aufgehalten werden«, sagte er.
» Das wird sie. Das schwöre ich.« Ich erstickte fast an den Worten.
Er nickte. » Hier und heute ist ein Vertrag gebrochen worden, der zwischen Eurem und meinem Volk bestanden hat. Die Zeit für einen Wandel ist gekommen, Ruarth Windreiter.«
» Wir haben beide unter den Exzessen der Dunkelmagie gelitten«, gab ich ihm zu bedenken; ich war mehr als nur ein bisschen verärgert darüber, dass ich– ein Dunstiger– mit diesen brethianischen Tyrannen in einen Topf geworfen werden sollte.
Keren kam mit der ersten Leiche zurück. Ein Offizier der Wache rief ihm etwas zu, aber er achtete nicht darauf. Er streifte dem Ghemf die Kleidung ab und ließ die Kreatur langsam ins Wasser gleiten. Der dort wartende Ghemf nahm sie entgegen und versank in der Tiefe.
» He! Was zum Graben tut Ihr da?« Der Offizier stapfte mit vor Wut verzerrtem Gesicht zu uns. » Das ist Einmischung in die Angelegenheiten des Sekurias!«
Keren erhob sich. » Nein. Ihr seid diejenigen, die sich einmischen– in die Angelegenheiten der Menschlichkeit. Was Ihr heute hier getan habt, verstößt gegen alle akzeptierten Regeln der Ruhmesinseln.« Und damit schob er sich an dem Mann vorbei, um eine neue Leiche zu holen.
» Syr«, erklärte ich dem Offizier. » Es ist am besten, Ihr mischt Euch hier nicht ein. Sofern Euch Eure Position irgendwie lieb ist.«
Der Mann zögerte. Er zweifelte, obwohl er inzwischen wissen musste, wer wir waren. Und er wusste auch, was man ihm befohlen hatte.
Ich setzte auf seinen Zweifel. » Wenn ich an Eurer Stelle wäre, Syr, würde ich jetzt keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen oder auf die Tatsache, dass hier Leute gestorben sind.«
Er starrte mich an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte davon. Keren und ich holten die anderen Leichen und brachten sie ans Ufer, wo wir sie den Händen der Angehörigen ihres Volkes übergaben. Das Kind kam als Letztes, und der Ghemf, der kam, um es in Empfang zu nehmen, war die Mutter, wie ich vermutete. Nie werde ich ihren Gesichtsausdruck vergessen, als sie das tote Mädchen in die Arme schloss.
Keren, der neben mir kauerte, sagte: » Und ich dachte einmal, ihre Gesichter wären ausdruckslos.« Er setzte sich ans Ufer und sah zu, wie die Wirbel im Wasser schwächer wurden und dann verschwanden, während breite, braune Streifen aus Seetang wieder die Lücken in der Wasseroberfläche schlossen. Die Silbmagie, die ihn bisher immer umhüllt hatte, seit er in der Stadt angekommen war, wurde jetzt dünner. Ich setzte mich neben ihn und nahm seine rechte Hand in meine. Ich drehte sie um, so dass die Handfläche oben war.
Das Gold strahlte mir förmlich entgegen: ein gekräuseltes M mit einer Linie dahinter. Ich fuhr mit dem Finger über den Buchstaben. Tränen brannten in meinen Augen. » Ich kannte einmal
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