Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
ihrem Empfangszimmer und kümmerte sich um irgendwelche Papiere, die der Verwalter ihr gebracht hatte. Auf dem Tisch vor ihr standen noch die Reste ihres Frühstücks. » Hier kommt Euer Stärkungsmittel, Syr-Herrin«, sagte ich fröhlich. Ich reichte ihr das Fläschchen mit einer Verbeugung. Sie trank die Flüssigkeit und verzog das Gesicht, dann winkte sie mich weg. Ich verließ das Zimmer durch die Haupttür und klopfte von außen an die Tür zum benachbarten Zimmer – Ruarths Schlafzimmer.
Er stand auf dem Balkon, als ich eintrat, und ich durchquerte das Zimmer und trat zu ihm. Er hielt ein Fernglas in der Hand.
» Ich habe jeden Tag hier draußen angefangen«, sagte er leise. » Um zu sehen, ob Scurreys Schoner von Xolchas vielleicht in der Nacht eingetroffen war. Selbst als ich schon dachte, dass er nicht mehr kommen würde, bin ich immer noch jeden Morgen hierher gegangen und habe nachgesehen.« Seine Lippen zuckten, als wüsste er nicht so recht, wie man lächelte. Er warf einen Blick zum Balkon nebenan, aber die Türen zu Flammes Empfangsraum waren geschlossen. » Bei den Gebeinen, Glut, ich war so furchtbar einsam.«
Die Bitterkeit in seinen Worten erzeugte einen Kloß in meiner Kehle, und ich war nicht gewohnt, so zu empfinden. Glut Halbblut wird nicht rührselig, oder zumindest sollte sie es nicht sein. » Du hast ein Fernglas«, sagte ich. » Darf ich mal?«
Er reichte es mir mit einem weiteren Versuch zu lächeln. » Ich habe es durch die schlichte Methode bekommen, einfach in Hörweite einer Gruppe von Höflingen zu erwähnen, dass ich gerne eins hätte. Danach musste ich nur noch zusehen, wie sie sich überschlagen haben, den Stallmeister der Brethherrin zufriedenzustellen. Erpressung durch Angst hat ihren Nutzen– ich habe diese Technik in der Theorie am Hof von Cirkaseburg kennengelernt. Es war eine neue Erfahrung, sie in der Praxis anwenden zu können.«
Ich ließ meinen Blick über die Bucht schweifen. Das Schiff der Wahrer versuchte nicht, die Docks zu erreichen; es war bereits in der Mitte des Bottichs vor Anker gegangen. Ich setzte das Fernglas auf dem Balkongeländer auf, um jetzt doch den Namen lesen zu können: Herz der Wahrer. Dasricks Schiff. Das Boot des Hafenmeisters machte bereits an seiner Seite fest. Ich richtete mich auf. » Aha, aha, aha«, sagte ich. » Nun, das ist ja wirklich interessant.«
» Glut, stimmt noch was anderes mit meinen Augen nicht?«, fragte Ruarth. » Das Wasser sieht irgendwie merkwürdig aus.«
» Es wimmelt von verworrenen, langen Seetangstreifen, aber das habe ich nicht gemeint. Das Schiff da ist die Herz der Wahrer.«
» Dasrick ist hier?« Er holte tief Luft, bevor er hinzufügte: » Ich kann mir nicht einmal annähernd ausmalen, wozu das alles führen wird!«
Ich suchte das Schiff weiter mit Hilfe des Fernglases ab. » Ich kann ihn nicht sehen, aber ich erkenne eine Silbin. Seine Tochter Jesenda. Und das ist interessant, denn sie war nicht auf der Akademie. Ich dachte immer, sie wäre nur Dekoration.«
» Dekoration?«
» Ja, du weißt schon. Eine dieser Frauen, deren Aufgabe es ist, hübsch auszusehen und sich bewundern zu lassen. Nutzlose Weibchen.«
Ich war absolut herablassend, und er zog eine Augenbraue hoch. Seltsamerweise vergaß er, sie wieder herunterzulassen. » Tut mir leid«, sagte er, als er begriff, dass ich ihn anstarrte. » Ich bin gerade erst dabei herauszufinden, wie nützlich Augenbrauen sein können, aber ich glaube, ich habe den Kniff noch nicht ganz raus.«
» Äh, nein. Aber vielleicht irre ich mich auch, was Jesenda betrifft. Tatsächlich habe ich mich das immer wieder mal gefragt.«
» Wieso?«
» Sie schien zu intelligent zu sein, um sich mit dem Leben zufriedenzugeben, das sie geführt hat. Und gelegentlich hat sie etwas richtig Scharfsinniges von sich gegeben. Was mir allerdings am meisten Sorgen macht, ist die Menge an Silbmagie, die sie ständig benutzt.«
» Um sich hübscher zu machen?«
» Nein, ganz und gar nicht. Das muss sie nicht tun. Sie ist hübsch… auf vollmundige Weise, wie ein ausgereifter Branntwein. Aber sie hat trotzdem immer nach Silbmagie gestunken. Und ich bin gewöhnlich sehr vorsichtig in der Gegenwart von Menschen, die nach irgendetwas riechen… ganz besonders nach Silbmagie. Es bedeutet einfach, dass sie nicht sind, wonach sie aussehen.« Ich warf noch einmal einen Blick durch das Fernrohr, dann schob ich es zusammen und reichte es ihm zurück. » Da draußen sind noch zwei andere
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