Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
wahrscheinlich. Ich wollte anhalten, als wir die Herz der Wahrer noch vor der Einfahrt zum Nabenbecken passiert haben, aber die Ghemfe haben mir gesagt, dass sie deine Rettung im Griff hätten. Als wir dann hier angekommen sin, haben wir erst mal versucht, so vielen Wahrern wie möglich Bescheid zu geben. Genau damit war ich zugange, als ich dich bei den Docks gerochen habe. Glücklicherweise hat die Gilde uns geglaubt. Und auch die Menoden. Die Patriarchen haben sofort angefangen, ihre Gläubigen wegzubringen. Dasrick allerdings…« Er schüttelte ungläubig den Kopf. » Selbst Fodderly is da unten am Wasser, mit seinen zahlreichen Schwestern und ihren Nachkommen. Die beiden– Fodderly und Dasrick– haben es zu einer Art politischem Wettkampf gemacht, wer mehr zum Wohle der Nabe tut. Die Leute werden sterben wegen ihrer…« Er verstummte einen Augenblick lang. Und dann: » Oh, Schöpfung, da is sie, Mädchen.«
Durch irgendeine kuriose zeitliche Abstimmung brach die Sonne durch die Wolkendecke und schien für einen kurzen, herrlichen Moment auf die Nabenrinne herab, während die Flutwelle heranraste, sich dabei noch höher auftürmte und durch die schmaler werdende Rinne immer schneller wurde. Obwohl wir so weit weg waren, konnten wir trotzdem das Rauschen hören. Den Donner. Regenbögen liefen über die Gischt am Wellenkamm.
Und am Ufer, von den Docks bis zu den palastartigen Häusern auf der anderen Seite des Nabenbeckens, standen unzählige Silbmagier in einer Reihe und errichteten miteinander verbundene Schutzschilde. Oder zumindest versuchten sie es. Es hätte so aussehen müssen wie ein filigraner silberner Vorhang, der durch unnachgiebige blaue Pfosten an Ort und Stelle gehalten wurde: eine gigantische Silbbastion… Aber meine Wissenden-Augen sahen die Schwachstellen und nicht die Stärken. Es gab Lücken, wo einige der unerfahreneren Silben die Entfernung zum nächsten in der Kette falsch einschätzten und den Schild nicht weit genug zur Seite ausdehnten. Und weil sie den Schutzzauber ihrer Nachbarn nicht sehen konnten, bemerkten sie diesen Fehler nicht. Einige Silbmagier machten ihre Barrieren nicht hoch genug: Sie hatten keine Ahnung, womit sie es zu tun bekommen würden. Ich sah mit wachsendem Entsetzen zu und begann zu ahnen, was wir zu sehen bekommen würden. Die Vernichtung der Wahrer-Silben. Den Tod der Elite eines Inselreichs.
Das Ende einer Lebensart.
Die Flutwelle krachte mit einem erderschütternden Knall, der weithin zu hören war, gegen den Hafendamm– und strömte einfach über ihn hinweg. Noch mehr Wasser folgte, das sich hinter der Flut aufgebäumt hatte, und dann gab es eine weitere Woge, als das Wasser, das an die höheren Ufer gegenüber der Nabenrinne geprallt war, zurückschwappte. Das Nabenbecken füllte sich mit tosenden Wassermassen. Die Flutwelle griff nach den verankerten Schiffen und schleuderte sie einfach weg wie Blätter im Sturm. Sie schoss durch die Bucht und schlug gegen die Schiffe an den Anlegestellen, gegen die Kais und schließlich gegen die Silbschutzwände Einige Schutzzauber brachen zusammen, noch bevor sie überhaupt getroffen wurden, als ihre Erschaffer in panischer Angst vergeblich zu fliehen versuchten. Bei aller Wirksamkeit, die die anderen hatten, hätten sie jetzt genauso gut auch aus Distelwolle und Spinnweben bestehen können. Die Männer und Frauen, die sie errichtet hatten, verschwanden in der Sintflut, als hätte es sie nie gegeben. Schiffe wurden landeinwärts geschleudert wie aussortierte Spreu. Die untere Stadt verschwand in einem Ansturm von Wassermassen. Die Gebäude an den Docks fielen in sich zusammen. Die Feuer wurden gelöscht und sogar der Rauch verschwand.
Wir klammerten uns aneinander, vor Entsetzen wie angewurzelt und unfähig, irgendetwas zu sagen. Wir hatten immer geglaubt, dass die Ghemfe über entsprechendes Wissen verfügten, und wir waren auch bereit gewesen, ihnen zu glauben– aber trotzdem hatten wir mit so etwas nicht gerechnet. Nicht mit einer so… verheerenden Zerstörung. Um uns herum standen Menschen erstarrt da, stumm, mit offenem Mund und vom Anblick ihrer zerstörten Stadt vollkommen benommen. Und hoch oben auf dem Ratshügel standen die öffentlichen Gebäude unberührt in ihrer ganzen Pracht– das Theater, das Huldigungshaus, das Hospital, die Universität, die Handelskammer und natürlich das Ratsgebäude selbst. Doch in den Straßen darunter wurden Gebäude zermalmt und weggeschwemmt. Trümmer und Einzelteile
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