Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin

Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin

Titel: Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
Vom Netzwerk:
mit seinem wellenförmigen Dach und den spitzen Türmchen; die Synode, in der sich die Büros und Unterkünfte des Patriarchats befanden; das Büro der Matriarchin mit seinen Zwiebelkuppeln; die Universität mit einem Turm an jeder Ecke, von denen sich keine zwei glichen; die Bibliothek mit ihren spiralförmigen Säulen; das Schatzhaus der Menoden mit seinen Kolonnaden; das Observatorium mit seinem Flachdach, dem Fernrohr, der geschmückten Wetterfahne und dem Windmesser; die Gildenkammer der Gezeitenreiter, worin sich das Büro meines Vaters befand; die von Bäumen gesäumten, sich windenden Straßen– wir jungen Gezeitenreiter taten immer so, als wäre uns alles gleichgültig, aber als gebürtiger Tenkoraner konnte ich gar nicht anders, als stolz zu sein angesichts der eleganten Steingebäude, die den Hügel bedeckten.
    Für das Patriarchat der Menoden ging dieser Stolz sogar noch viel tiefer. Viele Patriarchen waren gar keine Tenkoraner– tatsächlich kamen sie von allen möglichen Inseln–, und doch waren sie stolz auf Tenkor. Sie liebten es zu sagen, dass sich in Tenkorhaven das Verwaltungsherz der Menoden, ihre spirituelle Seele, ihr politischer Scharfsinn, ihr geübter Geist und ihr materieller Wohlstand befanden. Der Legende nach hatte Tenkor den Menoden gehört, seit dieser Glaube aufgekommen war. Ganz sicher waren diese Inseln der Nährboden unseres Glaubens gewesen, jener Ort, an dem er seine Kindheit verbracht hatte und an dem unsere Gründungsväter die ersten Schreine errichtet hatten, wo die heiligsten Männer und Frauen gepredigt hatten. Auf Tenkor hatten wir Menoden uns immer sicher gefühlt.
    Es war daher schwer zu akzeptieren, dass so viele Menschen an diesem Tag hier gestorben waren. Schwer auch zu akzeptieren, dass die Dunkelmagie bis ins Herz von Tenkor hinein vorgedrungen war. Es fühlte sich an, als hätte das Böse selbst unser Innerstes berührt und uns unserer Sicherheit beraubt.
    Waren diese Dunstigen empfindungsfähig gewesen, als sie Vögel gewesen waren? Wie war es für sie gewesen, so im Bann einer üblen Magie gefesselt zu sein? Hatten sie gewusst, was mit ihnen geschehen war– diejenigen, die überlebt hatten?
    Meine Gedanken wanderten wider Willen zu Cissy. Eben noch lebendig, und dann… einfach weg. Diese leeren Augen, die mich angestarrt hatten, immer noch schmerzdurchtränkt. Ich weigerte mich, an das andere Leben zu denken, das sie in sich getragen hatte und das jetzt unerheblich geworden war. Es war nicht mein Fehler. Nichts von alldem war mein Fehler.
    Nur… warum fühlte ich mich dann so… schuldig? Nicht so sehr schuldig dafür, dass es passiert war, sondern weil ich nicht mehr Trauer empfand. Seien wir ehrlich, Elarn: schuldig, weil ich überhaupt keine Trauer empfand.
    Ich warf wieder einen Blick auf die Uhr. Zwei Minuten noch, sofern der Kleine Fisch pünktlich war, aber Flutwellen neigten dazu, sich nicht genau an die Zeiten zu halten. Es gab so viele Faktoren, die die Ankunft einer Gezeitenwelle beeinflussen konnten. Ich warf einen Blick zurück in Richtung Süden. Sechs Inseln waren es, die unter dem Namen Tenkor zusammengefasst wurden, wahrscheinlich, weil sie beim niedrigsten Stand der Ebbe durch Dämme oder wandernde Sandbänke miteinander verbunden waren. Die anderen fünf reihten sich entlang des westlichen Ufers in der Nabenrinne auf, wobei die größte– Außen-Tenkor– an der Mündung zum Ozean lag, also etwa fünfundzwanzig Meilen von hier entfernt war. Tenkorhaven wiederum befand sich auf der Insel, die einfach nur Hoch-Tenkor genannt wurde und als Einzige dichter besiedelt war. Auf den anderen gab es lediglich ein paar kleine Fischerdörfer, zahlreiche Weiler, bestehend aus wenigen Bauernhöfen– und ein Übermaß an Schreinen.
    Als ich nach Süden blickte, konnte ich die stehende Welle als lange und niedrige weiße Linie sehen; sie befand sich noch weit weg in der Nähe der Insel, die Tief-Tenkor genannt wurde und bei der die restliche Abflussströmung darum kämpfte, den Ozean zu erreichen, während die Flutwelle hereinkam und Ebbe und Flut einen Moment lang im Gleichgewicht waren. Jetzt dauerte es nicht mehr lange. Ich sah nach vorn Richtung Norden, wohin ich gleich unterwegs sein würde. Vor mir erstreckte sich die Nabenrinne, ein langer Finger aus Wasser, der vom südlichen Ozean direkt auf das Zentrum der Wahrer-Inseln zeigte und links und rechts von der Neunten und der Zehnten Speiche begrenzt wurde. An der Wurzel dieses Fingers befand sich

Weitere Kostenlose Bücher