Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
aus kann ich sogar schon die Strände sehen. Und Palmen! Meine allerersten Palmen … Wie hübsch wohlproportioniert sie aussehen.
Ich habe schon so viele Briefe geschrieben, die alle nach Hintermeerwärts geschickt werden sollen, wobei man sich auch fragen kann, was ich nach drei Wochen an Bord eines Schiffes wohl zu sagen habe? Nun, so habe ich meiner Familie und meinen Freunden geschrieben, dass Schwester Lescalles mich mit ihren Gebeten und Predigten zur Raserei treibt. Dass es eine richtige Erleichterung sein wird, morgen wieder festen Boden unter den Füßen zu haben – und noch besser, frisches Essen zu bekommen. Dass ich ja keine Ahnung hatte, wie langweilig es sein kann, immer nur gesalzenes Fleisch und in Essig eingelegtes Gemüse essen zu müssen.
Oje, erst drei Wochen, und schon jammere ich. Wenn Shor lesen könnte, was ich gerade geschrieben habe, würde er sagen: » Habe ich es dir nicht gesagt?« Wir haben gerade mal ein Zehntel der Reise geschafft und müssen noch vier weitere Häfen anlaufen, bevor wir uns über das Unbekannte Meer zu den Ruhmesinseln aufmachen können.
Shor und ich gehen uns weiterhin aus dem Weg. Manchmal kommt es mir vor, als würde er sich richtig kindisch benehmen. Als ich heute auf Deck war, trat er allerdings zu mir, um mit mir zu sprechen. Ich dachte, er wäre bereit, unsere Unstimmigkeiten zu begraben, wie man so schön sagt, aber nein! Er wollte von mir hören, dass ich Heimweh habe und auf dem nächsten Schiff, das von Merinon zurückfährt, einen Platz suche!
Glücklicherweise habe ich in Nathan einen guten Freund gefunden. Er bringt mir die Sprache der Ruhmesinseln bei, so dass ich mich auch ohne die Hilfe eines Übersetzers mit den Inselbewohnern unterhalten kann – womit ich ihn arbeitslos mache, wie er mit einem Lachen gesagt hat. Er hat mir sämtliche Zeichnungen gezeigt, die er von den Inseln angefertigt hat. Er ist kein besonders guter Künstler, aber er hat ein Auge für Einzelheiten, und es ist für mich sehr interessant zu sehen, wie er diese Leute wahrnimmt, ihre Länder und Bräuche – die alle so ganz anders sind als das, was ich bisher kennengelernt habe. Hätte ich seine Zeichnungen von den Gezeitenreitern nicht gesehen, ich bezweifle, dass ich mir hätte vorstellen können, wovon Elarn Jaydon gesprochen hat. Aber jetzt, mit den Zeichnungen von Nathan, ergibt alles einen Sinn: die Flutwelle, die in die Flussmündung hineinläuft, die » Gleiter«, die die Gezeitenreiter benutzen, all das passt jetzt zusammen. Ohne die Zeichnungen hätte ich glauben können, dass es sich bei einem Gezeitengleiter um eine Art Kanu handelt, aber obwohl es ein Paddel gibt, ist es eigentlich kein Kanu. Dafür ist es zu lang und zu schmal und nicht tief genug. Nathan hat mir gesagt, dass sie aus außerordentlich leichtem und schwimmfähigem Material bestehen, das lackiert wird, um richtig wasserdicht zu sein. Die Gleiter sehen ziemlich elegant aus, und ich würde nur zu gern einmal einen in natura sehen. Ich frage mich, ob es wohl möglich wäre, selbst mal auf einem zu reiten? Nathan versichert mir, dass die Leute immer noch die Flutwelle von Tenkor zur Nabe nehmen.
Selbst wenn Shor recht hat und es auf den Inseln keine Magie mehr gibt – für mich wird das alles zauberhaft sein.
kkk
5
k
Erzähler: Elarn
Ich setzte mich auf meinen Gezeitengleiter und wartete, wobei ich die Füße ins Wasser baumeln ließ, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Hin und wieder stieß ich das Paddel in den trägen Ebbstrom, um nicht abzutreiben. Unter dem Kiel meines Gleiters war nur eine Handbreit Wasser, die mich von dem gewellten Sand darunter trennte. Ein paar zwiebelförmige Skalotten, die so durchsichtig wie Glas waren, vergruben sich rasch im Sand, als der Schatten des Gleiters auf sie fiel. Die Turmuhr der Gildenhalle verkündete, dass ich noch zehn Minuten warten musste– vorausgesetzt, die Flutwelle traf zum erwarteten Zeitpunkt ein. Ich hatte noch viel Zeit, um über das nachzudenken, was an diesem Tag geschehen war.
Ich warf einen Blick zu den Kais von Tenkorhaven, die sich links hinter mir befanden. An dem einen Ende, vor der Gildenhalle, stand eine einzelne Gestalt und beobachtete mich. Am anderen Ende, dort, wo sich Fischerboote und Postschiffe, Küstenkutter und hochmastige Handelsschiffe drängelten, herrschte wie gewöhnlich dichtes Gewimmel aus Schiffen und Hafenarbeitern. Hier gab es zwischen den größeren Hochseeschiffen und unseren flacheren
Weitere Kostenlose Bücher