Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
anzusehen. Ich war nicht der einzige interessierte Zuschauer; das Schiff hatte eine richtige Menschenmenge angezogen. Es war seltsam, einen solchen Schoner bei den Wahrer-Inseln zu sehen; er war mehr ein Frachtschiff für kurze Strecken, der einen eigenartigen Geruch verströmte, als würde er Dung befördern. Andererseits lag er so hoch im Wasser, dass er nicht sehr viel geladen haben konnte.
Als der Lotse das Schiff näher an die Docks brachte, sah ich, dass einer der Passagiere, die an der Reling standen, das Gewand der Menoden und um den Hals das Symbol unserer Religion trug, das aus schwarzer Koralle bestand. Ich kannte ihn vom Sehen: Mein Vater hatte mich einmal auf ihn aufmerksam gemacht. » Reyder ist sein Name«, hatte mein Vater gemurmelt, » von den Versprengten. Nimm dich vor ihm in Acht, Elarn, denn er hat eine seltsame Vergangenheit, und ich traue einem Mann nicht, der so kommt und geht wie er. Es geht das Gerücht, dass er ein Schwertkämpfer und Bogenschütze ist. Einige sagen, der Hohepatriarch würde ihn als seinen Nachfolger aufbauen.« Er schnaubte. » Wieso in Gottes Namen die Menoden einen Bewaffneten als Anführer brauchen sollten, ist mir absolut schleierhaft.«
Erst vor kurzem hatte ich gehört, dass Reyder inzwischen ein voll ausgebildeter Menoden-Rat war– trotz des Widerstands des konservativeren Teils der Synode. Zweifellos war er ein unkonventioneller Priester, der kein Interesse daran hatte, in den Korridoren der Macht herumzuhängen oder sich den Mächtigen gegenüber kriecherisch zu verhalten. Das bewunderte ich. Er war ein gutaussehender Mann von mehr als dreißig Jahren, ein großer, breitschultriger Bursche, aber als das Schiff an den Kai stieß und die Kabeltaue um die Poller geschlungen wurden, wanderte mein Blick trotzdem von ihm weg. Der Mann neben ihm war weit interessanter. Noch nie hatte ich jemanden wie ihn gesehen. Er mochte vielleicht genauso alt wie Reyder sein, aber er war weder so groß noch so breit. Er hatte rote Haare und einen dazu passenden, von ingwerfarbenen Streifen durchzogenen Bart. Seine Kleidung war verblüffend: Er trug ein wunderschönes Seidenhemd ohne Kragen, das an den Handgelenken zugeknöpft war, außerdem bequeme dunkelgrüne Beinlinge. Beide Kleidungsstücke waren zum Teil unter einem außergewöhnlichen Überwurf verborgen, einem Tuch aus grob gewebtem Wollmaterial in dunkelgrün und rot. Wild war das Wort, das mir spontan in den Sinn kam. Seine Haare und sein Bart wuchsen in alle Richtungen, oder er hatte einfach nur vergessen, sich zu kämmen. Der Überwurf war das unordentlichste Kleidungsstück, das ich je gesehen hatte– es sah aus, als würde es grob gefaltet und dann mehr übergeworfen als getragen werden. Ich hatte keinen Schimmer, woher der Mann kommen mochte.
Während ich ihn noch anstarrte und versuchte zu verhindern, dass man das sah, zupfte jemand von hinten an meiner Jacke. Ich drehte mich um und stellte fest, dass ein Dunstiger hinter mir stand. Mir sank das Herz. Auch nur einen Einzigen von ihnen zu sehen erinnerte mich an den Fall und damit an Dinge, an die ich nicht denken wollte. Er war jetzt bekleidet, ebenso wie die beiden Kinder, die sich an seine Beine klammerten, aber sie sahen alle nicht so aus, als würde es ihnen gefallen, etwas anzuhaben. Die Hemden waren nicht geschlossen, die Hosen falsch herum und ungegürtet und die Füße nackt. Nur wenige Dunstige, die Vögel gewesen waren, trugen in dieser Zeit Schuhe.
» Was möchtest du?«, fragte ich einigermaßen freundlich.
Er machte eine Reihe von stummen Gesten, die mir nichts sagten, und deutete auf das Schiff und dann auf das Meer. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass er die Augen in ihren Höhlen bewegen konnte, und daher drehte er den ganzen Kopf hin und her, wann immer er etwas sehen wollte. Es war ein unheimliches Verhalten, das aber bei den Dunstigen ziemlich verbreitet war.
Er sagte etwas Unverständliches und deutete mit wedelnden Händen auf die Kinder, wobei auch seine Finger flatterten und sein Kopf auf und ab ruckte. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Allein bei seinem Anblick bekam ich Mitleid mit ihm. Er war klein, wie so viele der kürzlich zu Menschen gewordenen Dunstigen, und hatte breite Schultern und dürre Beine. Seine Haut war verbrannt und hatte sich geschält, so dass er wie eine sich häutende Echse wirkte. Ein schwarzer Flaum wuchs auf seiner bislang kahlen Glatze, aber er war immer noch unattraktiv.
Plötzlich rief der Mann
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