Die Inselvogtin
Worte waren auch so durchdringend genug, um die Lästermäuler zum Schweigen zu bringen. »Habe ich nicht gesagt, sie ist willkommen?«
Er streckte die Hand nach ihr aus, und Maikea sah, dass sein Lächeln weniger souverän war als die strenge Miene, die er seinen Männern präsentiert hatte.
»Wir folgen nur deiner Anweisung, keine Fremden in die Mühle treten zu lassen!«, verteidigte sich einer der Männer.
»Diese Frau ist euch weniger fremd, als ihr glaubt. Das silberne Medaillon, das ihr bei eurer Flucht aus dem Gefängnis mitgenommen habt, es ist das ihre!«
Nun staunten die Anwesenden. »Ihr habt unsere Freiheit erkauft?«, fragte Eyke.
»Hätte ich gewusst, dass Ihr daraufhin eine unschuldige Frau entführt, ich hätte mich anders entschieden «, gab Maikea zur Antwort. Dann wandte sie sich fast widerwillig an den Weißen Knecht.
Auch ihm ging dieses Wiedersehen nahe, das war nicht zu übersehen. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du gekommen bist.«
»Ihr seid es nicht, den ich gesucht habe.« Maikea verzichtete auf seine Hilfe, sondern stieg allein die brüchigen Sprossen empor. Eine zweite Leiter führte sie ein weiteres Stockwerk hinauf. Hier war es dunkel und stickig, und der Raum war leer. »Ist Jantje nicht hier?«
Der Weiße Knecht griff nach ihren Händen. »Maikea, ich muss mit dir reden. Bitte! Ich will, dass du mich verstehst!«
Was hatte das zu bedeuten? Warum antwortete er nicht auf ihre Fragen?»Was ist mit meiner Freundin geschehen? Sagt mir nicht, Ihr habt sie … Sie ist doch nicht tot? Oder?«
»Um Himmels willen, nein! Sie lebt! Wir haben sie gut behandelt, das musst du mir glauben. Und wenn ich gewusst hätte, dass sie schwanger ist, dann … «
»Für mich macht es keinen Unterschied. Jantje hat mit Eurem Kampf nichts zu tun. Sie ist ein wunderbarer Mensch, hat niemandem ein Leid angetan, sondern sich immer für Schwächere eingesetzt. An der politischen Ungerechtigkeit in diesem Land trägt sie nicht die geringste Schuld. Ihr hättet sie niemals entführen dürfen!«
In diesem Moment hörte Maikea eine dünne Stimme über sich, die ihren Namen rief.
»Du kannst zu ihr gehen.« Der Weiße Knecht holte einen Stab, an dessen Ende ein metallener Haken befestigt war. Er setzte damit an der Zimmerdecke einen versteckten Hebel in Bewegung, eine Luke öffnete sich knarrend, und eine Strickleiter fiel herunter.
»Was für ein grausames Gefängnis «, zischte Maikea dem Weißen Knecht zu. »Da hat mir sogar Weert Switterts mehr Bewegungsfreiheit zugestanden. Ich weiß nicht, wie ich mich jemals so in Euch habe täuschen können!« Wieder wollte er ihr helfen, als sie nach den Seilen griff, doch Maikea schubste ihn zur Seite. Die Grobheit dieser Bewegung tat ihr gut.
Als sie die letzte der wackeligen Stufen erklommen hatte, rechnete sie mit dem Schlimmsten und war umso erleichterter, als sie die kleine, kreisrunde Stube unter dem Dach betrat. Der Raum war sauber, fast hübsch eingerichtet. Zwei kleine Fensterchen ließen Sonnenlicht und frische Luft herein, und Jantje saß an einem kleinen Webstuhl und lächelte sie an. In der Hand hielt sie ein Knäuel Garn.
»Maikea! Du bist es wirklich!« Trotz des kugelrunden Bauches sprang sie erstaunlich beweglich vom Stuhl und lief auf sie zu. »Hat Carl Edzard dich zu mir geschickt?«
Sie sah gesund aus und wirkte überhaupt nicht unglücklich oder verängstigt. Maikea vermochte gar nicht auszudrücken, wie erleichtert sie war, also nahm sie die Freundin einfach nur in den Arm, so gut sich das bei dem Leibesumfang bewerkstelligen ließ.
»Er hat sich furchtbare Sorgen gemacht. Um dich und das Kind!«
»Ach, er ist so lieb! Wie gern würde ich ihm sagen, dass er sich nicht ängstigen muss. Die Menschen hier behandeln mich gut. Ich muss nicht so hart arbeiten und mich nicht schikanieren lassen, wie es bei der Fürstin stets der Fall war.« Jantje ging zurück zum Webstuhl. »Schau mal, erinnert dich das nicht an früher? Doch ohne die Rauschweiler im Rücken macht das Weben richtig Spaß, und ich habe für das Kind schon ein paar Stoffe fertig. Wenn ich Carl Edzard nicht so furchtbar vermissen würde, dann könnte ich mich mit dem Leben hier geradezu anfreunden.«
»Hättest du ihm das nicht mitteilen lassen können? Er ist völlig außer sich!« Maikea sah ihre Freundin streng an.
»Bist du wirklich so naiv?« Jantje lachte. »Jegliche Nachricht hätte doch sicher Weert Switterts’ Hände passiert. Und er ist der
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