Die Inselvogtin
Letzte, der erfahren darf, dass ich schwanger bin.«
Maikea beugte sich nah an das Ohr ihrer Freundin:»Wissen sie, dass du … dass das Kind ehelich ist?«
Jantje schüttelte den Kopf und legte den Finger auf die Lippen.
»Warum haben sie dich denn nicht freigelassen? Soweit ich weiß, sind alle Forderungen der Rebellen erfüllt.«
»Ich selbst habe darum gebeten. Was wäre geschehen, wenn ich hochschwanger am Hof aufgetaucht wäre? Es ist mein Wille, die Geburt des Kindes abzuwarten, bevor ich zurückkehre.«
»Du wirst nicht richtig versorgt hier, Jantje. Wie willst du inmitten von diesen Kerlen die Niederkunft durchstehen? Eine Hebamme ist doch wohl kaum unter ihnen.«
Maikea vernahm ein Räuspern. Der Weiße Knecht hatte sich ebenfalls nach oben begeben.
»Könnt Ihr nicht einen Moment draußen bleiben, wenn zwei Frauen miteinander reden? Habt Ihr so wenig Respekt?«, fauchte Maikea ihn an.
»Lass gut sein!«, beschwichtigte Jantje. »Ich habe Vertrauen zu ihm. Außerdem kennt er sich mit schwangeren Frauen aus. Stell dir vor, er hat mir sogar einige Kräuter bringen lassen, als ich Schmerzen hatte und das Kind beinahe zu früh gekommen wäre. Johanniskraut war es, oder?«
»Und Hopfen.« Ermutigt trat der Weiße Knecht näher. Als er Maikeas fragendem Blick begegnete, erklärte er:»Meine Mutter war Hebamme. Und als kleiner Junge habe ich bei einigen Geburten Hilfestellung leisten müssen.«
»Dass Ihr mal ein kleiner Junge gewesen seid, ist mir neu. Bislang hatte ich immer den Eindruck, Euer Leben hätte irgendwann und irgendwo als Weißer Knecht begonnen!« Maikea konnte das Gift, das auf ihrer Zunge lag, einfach nicht für sich behalten. Daher wandte sie sich wieder an ihre Freundin, die gerade ein Stück Webstoff vor ihr ausbreitete.
»Bitte, Jantje, komm mit mir! Ich werde eine Kutsche holen lassen, ganz heimlich. Sei dir sicher, der Fürst wird mich dabei unterstützen, denn nichts ist ihm wichtiger, als dass du dein Kind gesund zur Welt bringst.«
»Dafür dürfte es bereits zu spät sein, Maikea «, mischte sich der Weiße Knecht ein. »Wir gehen davon aus, dass es heute oder morgen losgeht. Die körperlichen Anzeichen sprechen dafür. Ein Transport wäre viel zu gefährlich.«
»Hast du denn keine Angst, Jantje?«
»Warum sollte ich? So viele Frauen haben vor mir Kinder in die Welt gesetzt … «
Der Weiße Knecht machte einen Schritt auf Maikea zu. »Und mit dir zusammen fühle auch ich mich wohler bei der ganzen Sache. Ich bin froh, dass du hier bist.«
Sie wollte etwas erwidern, ihn anschreien und zum Teufel jagen. Doch er drehte sich um und stieg die Strickleiter hinab.
Jantje trat an sie heran. »Er ist ein wunderbarer Mann!«, flüsterte sie.
»Wie bitte?«
»Du hattest mir so viel von ihm erzählt, von seinen politischen Zielen, seinen Kämpfen und so. Aber niemals hast du erwähnt, was für ein liebenswerter Mensch er ist.«
»Vielleicht, weil es mir nie aufgefallen ist «, log Maikea.
Aber Jantje hatte dafür nur ihr unwiderstehliches Lächeln übrig. »Das würde ich dir nicht mal glauben, wenn du blind und taub wärst.«
22
A ls Jantje wenige Stunden später den ersten Schrei ausstieß, bekamen die Männer es mit der Angst zu tun und verließen die Mühle Richtung Schänke, obwohl es mitten in der Nacht war. Nur der Weiße Knecht blieb an ihrer Seite, und Jantje schien sich nicht daran zu stören.
Maikea, die ihn den ganzen Abend keines Blickes gewürdigt und nur das Nötigste mit ihm besprochen hatte, musste irgendwann einsehen, dass dies nicht der rechte Moment war, ihren Groll aufrechtzuerhalten. Also saßen sie nebeneinander auf der Bettkante, und jeder hielt eine Hand der Gebärenden.
Maikea hörte das Stöhnen, das während der Wehen aus dem Frauenkörper entwich. Sie roch das Blut und den Schweiß. Sie fühlte das Tuch mit dem warmen Wasser in ihren Händen. Niemals hatte sie eine Geburt miterlebt, doch Jantjes Gelassenheit beruhigte sie, und das souveräne Handeln des Weißen Knechtes zerstreute ihre schlimmsten Zweifel.
Sie beobachtete ihn von der Seite. Er gab ruhige Anweisungen, was in welchem Augenblick zu tun war, überhaupt näherte er sich ohne Scheu dem Geschehen – und irgendwie kam es Maikea so vor, als befände sich der Weiße Knecht, dieser ruhelose Rebell, in einer anderen Welt.
»Maikea, du musst genau schauen, wenn das Köpfchen kommt «, rief er plötzlich. »Dann greif danach und helfe ihm behutsam vorwärts.«
Sie sah ihn irritiert an.
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