Die Inselvogtin
damals mehrfach über das Schicksal des Waisenmädchens informiert, sodass schließlich ein hochoffizieller Brief verfasst worden war, in dem Maikea Boyunga als tapferes Opfer der rücksichtslosen Rebellen betrauert wurde. Und damit schien das Problem gelöst.
Doch was der Soldat da eben von der ungebetenen Besucherin berichtete, klang so sehr nach Maikea Boyunga, dass Weert erstarrte. Wenn er ehrlich war, hatte er nie an den Tod seiner alten Widersacherin glauben können. Dazu war dieses Mädchen einfach zu lebendig, zu zäh und verdammt nochmal auch zu schlau gewesen. Aber wenn es tatsächlich Maikea war, die dort am Tor die Wächter auf Trab hielt, dann würde es ein Schock für alle sein. Es gab bereits genug Aufregung.
»Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte der Mann unsicher.
»Führt sie zu uns «, antwortete Brenneysen mit amüsiertem Gesicht.»Wollen wir doch mal sehen, welche junge Dame aus dem Dunstkreis unseres Ratsherrn Switterts sich erdreistet, dem Allmächtigen die Stirn bieten und dem Meer trotzen zu wollen.«
Gerade wollte der Wächter dem Befehl Folge leisten, da wurde er auch schon zur Seite gedrängt, und eine Frau betrat den Sitzungssaal, atemlos und voller Feuereifer.
Auch Weert blieb die Luft weg, und er musste sich setzen. Er hatte nicht daran gedacht, dass Maikea nun eine Frau war. Irgendwie hatte er ein kleines Mädchen mit Zöpfen erwartet. Aber ihr Haar war nicht geflochten, es wurde nur mit einem Band aus der Stirn gehalten und fiel ihr ansonsten in strohgoldenen Fluten über den Rücken. Sie trug ein blaues Kleid, das absolut nicht der neuesten Mode entsprach und zudem an den Brüsten etwas zu eng zu sein schien, trotzdem sah sie gut darin aus. Besser als die feinsten Edelfrauen, die sich am Fürstenhof tummelten. Ihr Gesicht war erhitzt, und das war es auch, was Weert an die Maikea seiner Kindheit erinnerte. Diese glühenden Wangen und die leicht geschwollene Ader auf der Stirn. Mein Gott, dachte er, sie ist schön geworden. Dabei entsprach ihre Schönheit nicht dem Ideal einer Frau bei Hofe, denn sie war weder blass noch vornehm noch von graziler Gestalt. Im Gegenteil, sie hatte sich etwas Wildes bewahrt.
»Maikea Boyunga! Sieh mal einer an «, sagte Weert, und es gelang ihm, die Erregung hinter einem etwas blasierten Ton zu verbergen.
Maikea schaute ihn mehrere Augenblicke lang an, ohne ihn zu erkennen. Weert wusste, sein Äußeres hatte sich stark verändert. Er hatte sich einen ordentlichen Bauch zugelegt, wie man es von einem stattlichen Ratsherrn erwartete. Und die teure Perücke ließ ihn älter aussehen, als er wirklich war. Erst als er lächelte, schien sie zu wissen, wem sie gegenüberstand. Vielleicht lag es an der Zahnlücke, die Rudger ihm damals verpasst hatte und die bis heute sein einziger äußerlicher Makel war.
»Weert Switterts. Du bist tatsächlich Mitglied im Geheimen Rat? Bis eben hatte ich es mir nicht vorstellen können.«
»Ihr kennt dieses Weib tatsächlich, Switterts?«, fragte Brenneysen.
Maikea kam seiner Antwort zuvor.»Oh, auch Ihr kennt mich, Kanzler!«
Er musterte sie von oben bis unten, leidenschaftslos, wie es seine Art war.»Ich wüsste nicht, dass ich Euch schon einmal begegnet wäre.«
»Ihr habt mich damals an die Rebellen ausgeliefert, um den Fürstensohn vor einer Entführung zu schützen. Und dann habt Ihr mich wohl vergessen … «
Nun wurde Brenneysen blass.»Das Inselmädchen? Ihr lebt?«
Maikea lachte.»Macht Euch keine Sorgen, ich will mich wegen der letzten fünf Jahre keineswegs bei Euch beschweren. Im Grunde habt Ihr mir einen Dienst erwiesen, denn statt im Waisenhaus am Webstuhl oder in der Küche zu versauern, habe ich eine durchaus interessante Zeit gehabt.«
»Ihr wart die ganze Zeit bei den Rebellen?«
Wieder schien Maikea belustigt.»Wenn Ihr es so ausdrücken wollt, bitte sehr! Ich habe diese Menschen eher als sehr großzügige Gastgeber empfunden.«
Weert sprang auf.»Sag uns sofort, wer sie sind und wo sie leben!« Dass Maikea keine Angst, noch nicht einmal Respekt vor ihm und den anderen Ratsherren zeigte, machte ihn wütend.
»Warum sollte ich das tun? Damit Ihr sie ins Gefängnis stecken und foltern könnt, so wie Ihr es mit der unschuldigen Helene gemacht habt?«
Weert ging auf sie zu und fasste sie hart am Arm.»Dann werden wir dich in Gewahrsam nehmen. Was du hier treibst, ist Verrat!«
Doch Brenneysen erhob sich nun ebenfalls von seinem Platz, wobei der Husten, der ihm bei Aufregung immer
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