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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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und bereit war, sich dafür starkzumachen, dann gab es eine Chance, sie an die richtigen Leute zu bringen.
    Endlich kratzte er sich das Kinn, und Maikea wusste, das war ein gutes Zeichen. Er machte diese Geste stets, wenn er ernsthaft über etwas nachdachte.
    »Und was sollen wir nun deiner Meinung nach mit diesem Wissen anfangen?«
    »Könnt Ihr nicht beim Fürstenhaus einen Vorschlag einbringen, dass die Arbeit der Inselvogte und Deichachten nach einem allgemeinen Prinzip -«
    »Dann müsste ich Kanzler Brenneysen überzeugen «, unterbrach er sie.»Denn Fürst Georg Albrecht liegt, soweit ich weiß, im Sterben.«
    Maikeas Herz schlug schneller.
    »Aber es ist nicht so einfach, wie du es dir vorstellst, Maikea. Sturmfluten mögen schrecklich sein. Sie kosten Menschenleben und zerstören Weideland und Viehbestände. Aber sie haben auch einen großen Nutzen für die Obrigkeit.«
    »Einen Nutzen? Was soll gut daran sein, wenn man in ständiger Angst lebt, alles an das Meer zu verlieren?«
    »Nun, genau mit dieser Angst lässt sich Macht gewinnen.«
    Josef Herz schaute noch einmal zum Meer, dann wandte er sich um und begann, schräg den Deich hinunterzustapfen. Die feuchte Wiese ließ ihn rutschen, Maikea eilte hinter ihm her und griff nach seinem Arm, um ihn vor dem Sturz zu bewahren.
    »Meister, was meint Ihr damit?«
    »Der Fürstenhof ist vom Pietismus geprägt, strengster Protestantismus also.«
    »Aber Ihr seid doch Jude. Was kümmert Euch der Glaube des Fürsten?«
    »Nun, in allen Religionen läuft es gleich: Gott sieht alles, und Gott bestraft die Menschen für ihre Sünden. Doch im Pietismus wird die Angst vor dem Zorn des Allmächtigen ganz besonders geschürt. Nicht umsonst haben Landesherren, die gern absolutistisch regieren wollen, sich dieser Kirchenbewegung angeschlossen.«
    »Warum? Was ergibt das für einen Sinn?«
    »Wenn das Volk stets den Zorn des Allmächtigen fürchtet und der Landesherr sagt, dass Katastrophen wie Sturmfluten eine Gottesstrafe für ihren Lebenswandel sind, dann bleiben die Menschen ängstlich, bescheiden und ergeben.«
    »Ich verstehe «, sagte Maikea, als sie unten ankamen. Es waren nur noch wenige Schritte bis zum Haus.»Wenn die Menschen begreifen, dass es in ihrer Macht steht, sich gegen Sturmfluten zu schützen, dann kann man ihnen damit nicht mehr drohen … «
    »So ist es.«
    »Aber wenn Gott uns doch die Möglichkeiten gegeben hat, uns gegen seine Strafen zu wehren, warum dürfen wir sie dann nicht nutzen?«
    »Wenn ich zum Kanzler Brenneysen gehe und ihm erzähle, dass eine gewisse Maikea Boyunga so klug und so fleißig ist, dass es ihr vielleicht gelingen könnte, das Meer zu bändigen, dann wird er es als Gotteslästerung ansehen und uns beide so schnell wie möglich mundtot machen.«
    »Das glaubt Ihr wirklich?«
    »So wahr wir beide denselben Gott haben, das wird geschehen. Du weißt, ich arbeite für den Fürsten, doch gleichzeitig beäuge ich seine Machenschaften mit großer Sorge. Deswegen habe ich mich auch damals angeboten, als der Weiße Knecht mich um Unterstützung bat. In Ostfriesland brennt die Erde. Nicht nur Sturmfluten, auch Viehseuchen und Missernten haben den Menschen zugesetzt. Das Fürstenhaus hat schon jetzt keinen starken Cirksena mehr an seiner Spitze, und nach Georg Albrechts Tod wird dessen Sohn noch weniger Macht haben. Die Ständekriege höhlen das Volk von innen aus. Und der vom Kanzler berufene Geheime Rat gießt noch Öl ins Feuer, indem er die Rebellen mit aller Härte bekämpft.« Sie standen nun schon an der Rückseite des kleinen Hauses. Josef Herz blieb stehen und sah seine Begleiterin ernsthaft an.»Liebe Maikea, ich halte deine Entdeckung für großartig und wunderbar. Aber ich fürchte, dass der Fürstenhof nicht gerade auf eine starke Frau wie dich wartet. Eine Frau, die weiß, wie man die Angst vor dem Meer in den Griff bekommt. Es ist gefährlich, Maikea. Und deswegen werde ich auf keinen Fall in Aurich von deinen Ideen berichten.«
    »Und wenn ich selbst fahre?« Maikea konnte nicht einfach so aufgeben. Doch in diesem Moment hörte sie von der Vorderseite des Hauses her das Schnauben eines Pferdes, und eine bekannte Stimme rief:»Ist denn hier niemand? Josef Herz? Maikea? Es gibt etwas Wichtiges zu erzählen!«
    Augenblicklich wurde Maikea warm ums Herz, und sie strich hastig ihre Strähnen hinter das Ohr. Warum nur musste der Weiße Knecht immer so überraschend auftauchen?
    »Hört Ihr mich? Stellt Euch vor, letzte Nacht ist

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