Die Inselvogtin
der Fürst gestorben. Ab heute werden die Karten in unserem Land neu gemischt!«
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I m Hof welkten die Hochzeitsgestecke vor sich hin. Kurz hatte man aus Sparsamkeit in Erwägung gezogen, die edlen holländischen Blumen neu zu arrangieren und als Schmuck für die Totenbahre zu nutzen. Doch zartrote Rosen wirkten zu fröhlich neben dem einbalsamierten Leichnam des Fürsten.
Erst vor fünf Tagen hatte man Georg Albrecht den letzten Segen erteilt. Doch der Tod des ewig kranken Fürsten schien den Menschen kein zu beklagendes Leid. Ebenso hatte sich vor vier Wochen kaum ein Mensch an der Hochzeit des Fürstensohnes erfreut. Nur der Kanzler war mit den politischen Vorteilen zufrieden, die die Heirat Carl Edzards mit seiner zwei Jahre älteren Stiefcousine Prinzessin Wilhelmine Sophie von Culmbach-Bayreuth brachte. Ansonsten war sowohl dem gerade 18-jährigen Bräutigam wie auch seiner blassen Braut das Unglück anzusehen gewesen. Dass Carl Edzard viel lieber der Tochter eines Kammerfräuleins das Jawort gegeben hätte, war in Aurich kein Geheimnis. Doch für Gefühle und nicht standesgemäße Mätressen war jetzt keine Zeit: Es musste so bald wie möglich ein neuer Stammhalter geboren werden. Dieses Ziel hatte der Geheime Rat zur wichtigsten Sache erklärt.
Weert Switterts unterbrach die Vorbereitungen für das Staatsbegräbnis, um an der heutigen Sitzung teilzunehmen. Der Geheime Rat tagte nun beinahe täglich in den schmucken Räumen der neuen Kanzlei, die der Fürst erst kürzlich im herausgeputzten Marstall hatte einrichten lassen. Der Sitzungssaal befand sich im ersten Stock und hatte eine Reihe fast bodentiefer Fenster, durch die man auf das Fürstenschloss blicken konnte.
Von seinem Arbeitszimmer waren es nur wenige Schritte dahin. Rudger trug die nötigen Papiere unterm Arm und folgte ihm eilig. Er machte seine Arbeit als persönlicher Sekretarius gut, fand Weert.
»Weert, ich würde dich später gern unter vier Augen sprechen, wenn es geht. Eine wichtige Angelegenheit, privat, wenn du verstehst … «
»Sobald ich Zeit habe, gern.« Er nahm ihm die Akten ab und betrat den Sitzungssaal.
Die Ratsmitglieder saßen bereits auf ihren wuchtigen Stühlen und breiteten vor sich unzählige Papiere auf dem langen, schweren Holztisch aus. Seit vier Monaten gehörte auch Weert zum engsten Kreis um Kanzler Brenneysen und Hofmarschall von Langeln, der die Geschicke des Landes lenkte.
»Diese Jantje Haddenga ist ein echtes Problem.« Brenneysen räusperte sich geräuschvoll. Der Tod des Fürsten hatte ihn nicht allzu sehr mitgenommen, auch wenn er in der Öffentlichkeit einen anderen Eindruck zu erwecken versuchte. Dass er so abgeschlagen wirkte und der Husten ihm zu schaffen machte, war wohl eher auf die anstrengende Aufgabe zurückzuführen, in Ostfriesland das Chaos zu verhindern, das durch den Tod Georg Albrechts hereinzubrechen drohte.»Solange dieses Mädchen in der Nähe ist, wird Seine Durchlaucht im Ehebett nichts taugen. Außerdem ist Carl Edzard auch sonst kein Kerl, bei dessen Lebenserwartung ich allzu optimistisch wäre. Er muss seiner Gemahlin so bald wie möglich einen Sohn machen.«
»Ist denn noch kein Brief aus Bayreuth eingetroffen?«, hakte Weert nach.»Gibt es noch keine Antwort auf unser Anliegen, ob man das Kammerfräulein dort als Hofdame übernimmt? Ich denke, die Fürstin sollte ihre Kontakte nutzen. Es wird auch in ihrem Sinne sein, wenn ihr Stiefsohn sich mehr auf seine ehelichen Pflichten konzentrieren kann.«
Das beipflichtende Nicken in der Runde bestätigte Weert wieder einmal, dass auf sein Wort gehört wurde. Was hatte er nicht alles erreicht in den letzten fünf Jahren! Zwar hatte seine Karriere ihm anfangs einige harte Wochen beim Militär abverlangt, und der Aufstieg in die politischen Kreise war ebenfalls nicht ganz billig gewesen. Doch Respekt verschaffte man sich bekanntlich nicht, wenn man sich an Regeln und Gesetze hielt, sondern vielmehr, wenn man die richtigen Leute kannte und im passenden Moment ein paar interessante Geheimnisse erzählte – oder als Gegenleistung für sich behielt. Nach dem Kanzler und dem Hofmarschall war Weert mittlerweile der dritte Mann am Fürstenhof. Und Rudger stand ihm als sein privater Sekretarius loyal zur Seite. Was wollte er mehr?
Brenneysen, der am Kopf des Verhandlungstisches saß, waren die Sorgen dieser Tage anzusehen.
»Es muss uns gelingen, beim Volk den Eindruck zu erwecken, dass es nach wie vor von starker Hand regiert wird. Sonst
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