Die Intrige
Königin war, dass sie sich auf einen derart gefährlichen Plan einließ.«
»Ist wahrscheinlich immer noch besser, als die eigenen Söhne sterben zu sehen«, murmelte Katherine.
»Aber es waren noch andere dort unten, die behaupten sollten, sie hätten die Jungen springen sehen und anschließend ihre Leichen gefunden«, sagte HK. »Das waren diejenigen, die unabsichtlich ›Wo sind die Leiber?‹ gerufen haben, als sie die Jungen nicht fanden. Sie waren so verblüfft, dass sie ganz vergaßen, dass
das
nicht die Nachricht war, die sie verbreiten sollten.«
»Das heißt, im ursprünglichen Verlauf der Geschichte …?«, fragte Jonas.
HK kicherte.
»Im ursprünglichen Verlauf der Geschichte landeten beide Jungen im Gebüsch und rannten davon, ehe sie von Freund oder Feind gesehen wurden«, sagte er. »Das sorgte auf beiden Seiten für große Verwirrung. Von offizieller Seite tat man noch eine Zeit lang so, als befänden sich die Prinzen weiterhin im Tower, gleichzeitig aber wurden alle befragt, die irgendetwas gesehen oder gehört haben konnten. Ihr könnt euch vorstellen, wie die Gerüchteküche brodelte.«
»Gerüchte, dass die Jungen tot sind?«, fragte Jonas.
»Dass sie tot sind, dass sie leben, dass ihnen wie Engeln Flügel gewachsen und sie davongeflogen seien … man musste nur einen Verdacht aussprechen und schon fand sich jemand, der ihn als reine Wahrheit verbreitete«, erzählte HK mit amüsiertem Kopfschütteln. »In der Zwischenzeit ließen sich die Jungen einiges einfallen,um der Gefangennahme zu entgehen. Es war mit das größte Abenteuer ihres Lebens. Es tut mir ziemlich leid für Chip und Alex, dass sie das verpasst haben.«
»Verzeihung aber auch«, murmelte Katherine und klang dabei kein bisschen reumütig. »Du magst mich für verrückt halten, aber wenn man nicht weiß, was passieren soll, und zusehen muss, wie jemand versucht die besten Freunde aus dem Fenster zu werfen, ist es eigentlich nur natürlich, dass man das verhindern will.«
»Wenn du nicht wolltest, dass wir Chip und Alex retten, hättest du uns das sagen müssen«, knurrte Jonas. Auch wenn er nicht sicher war, was er getan hätte, wenn HK ihnen befohlen hätte: »Ihr werdet zwei Männer sehen, die sich wie Mörder ins Zimmer schleichen und Chip und Alex aus dem Fenster werfen. Aber keine Sorge. Ihnen passiert nichts, solange ihr euch zurückhaltet und einfach nur zuseht und gar nichts tut.«
»Nein, nein«, sagte HK. »Ihr versteht mich nicht. Dass ihr beide Chip und Alex gerettet habt, war das Beste, was passieren konnte. Wir haben das mit Computersimulationen durchgespielt. Wenn die Jungen nur um Millimeter verschoben gelandet wären, hätten sie zu Krüppeln werden oder ums Leben kommen können. Oder die Mörder hätten sie unten erwischt. Oder die Retter hätten sie gefunden und wären dann von den Mördern erwischt worden, die alle umgebracht hätten. Oder –«
Jonas hatte genug von weiteren Möglichkeiten, wie alles hätte schiefgehen können.
»Und warum hast du uns nicht vorher gesagt, was wir tun sollen?«, warf er ein.
»Wenn ihr gewusst hättet, dass die beiden Männer vorhatten, Chip und Alex aus dem Fenster zu werfen, hättet ihr es dann wirklich fertiggebracht, bis zum allerletzten Moment zu warten, ehe ihr sie zu retten versucht?«, fragte HK. »Oder wärt ihr ein bisschen früher vorgeprescht und hättet sie vorzeitig gepackt, um nur ja nicht zu spät zu kommen? Dann hätten die Fensterwerfer den Unterschied gemerkt und …«
HK musste den Satz nicht zu Ende sprechen. Jonas stockte beim bloßen Gedanken daran der Atem. Er und Katherine hatten einen Sekundenbruchteil Zeit gehabt, um Chip und Alex zu retten. Nur eine Winzigkeit früher oder später, und es wäre ihnen misslungen.
Jonas drehte sich zu seiner Schwester um, in der Erwartung, dass sie ebenso erschüttert dreinschauen würde, wie er sich fühlte. Doch ihr Gesicht war wutverzerrt.
»Und du wolltest nicht, dass Jonas und ich mitkommen!«, fauchte sie HK an. »Wie konntest du nur! Was hast du denn gedacht, was passiert?«
»Wir hatten angenommen, die Geschichte würde sich wiederholen«, erwiderte HK. »Wir dachten, Chip, Alex und die Zeit würden genauso funktionieren wie beim ersten Mal.«
Katherine starrte ihn weiter finster an.
»Ihr seid ganz schön viele Risiken eingegangen, was?«, sagte sie. »Chip und Alex sind größer als ihre Marker. Das hätte alles durcheinanderbringen können. Sie haben sich viel stärker gewehrt und um sich
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