Die Invasion - 5
noch kleiner zu sein als meine. Das ist ja auch schon mal etwas.
»Wie zuverlässig sind diese Berichte, Alyk?«, fragte er laut und blickte den gut aussehenden, auffallend prächtig gekleideten Mann an, der neben ihm stand.
Gahrvai kannte Sir Alyk Ahrthyr, seines Zeichens Graf Windshare, schon seit seiner Kindheit. Seit vielen Jahren waren sie eng befreundet, und es gab niemanden, den Gahrvai bei einem Kampf lieber an seiner Seite gesehen hätte. Bedauerlicherweise war Windshare, trotz all seiner Kampfeslust und seines unbestreitbaren Mutes, nicht gerade der intelligenteste Mensch. Pflichten und Verantwortung nahm er sehr ernst; er schien über unerschöpfliche Körperkraft zu verfügen, und er war der beste Reiter, den Gahrvai je kennen gelernt hatte. Wenn man ihm einen Feind auf dem offenen Feld lieferte, Windshare einen Säbel in die Hand drückte und ihm einen Trupp Kavalleristen zur Seite stellte, dann war er schlichtweg unbesiegbar. Was die Aufklärer- und Kundschafteraufgaben eines Kavalleristen betraf, war er jedoch etwas weniger talentiert. Wenn er von einer feindlichen Stellung wusste, so waren seine natürlichen Vorlieben, zunächst anzugreifen und erst beim Abfassen des Abschlussberichtes darüber nachzudenken, wie eigentlich seine Chancen gestanden hatten. Andererseits hatte er schon genug abbekommen, um sich seiner eigenen Schwächen auch bewusst zu sein.
»Ich halte die Berichte für sehr zuverlässig«, antwortete Windshare. »Mein Regiment an vorderster Front beobachtet sie unablässig, seit sie Dairos verlassen haben. Bislang ist es uns noch nicht gelungen, an ihre Flanken Kundschafter zu schicken. Sie marschieren ja jetzt in den Wäldern. Aber allmählich nähern wir uns ihrer Vorhut. Der Route, der sie bislang folgen, können wir entnehmen, dass sie zweifellos den Talbor-Pass ansteuern. Und Sie hatten Recht: Die scheinen wirklich nicht allzu viel Kavallerie bei sich zu haben.« Windshare schniefte. »Wenn es zu einem offenen Kampf zwischen meinen und deren Truppen käme, wären wir vor dem Mittagessen mit denen fertig.«
»Aber so wird es nicht laufen, oder, Alyk?«, erkundigte sich Gahrvai, und Windshare schüttelte mit düsterer Miene den Kopf.
»Wahrscheinlich nicht. Obwohl ...« Sofort wurde der Graf wieder heiterer. »Wenn es Charlz und Ihnen gelingt, deren Formation zu durchbrechen, werden meine Jungs hocherfreut sein, den ganzen Rest für Sie zu erledigen!«
Gahrvai lächelte. Das Lächeln aber verwandelte sich sofort in ein Stirnrunzeln, als er an eine der Depeschen denken musste, die ihm Windshares Kavallerie hatte zukommen lassen.
»Wie denken Sie darüber, Charlz?«, fragte er nun den Mann, der auf der anderen Seite des improvisierten Kartentischs in einem der requirierten geschmackvollen Sessel saß. Mit dem Zeigefinger tippte Gahrvai auf besagte Depesche, und sein Gegenüber zuckte mit den Schultern.
»Wahrscheinlich in etwa das Gleiche wie Sie«, erwiderte Sir Charlz Doyal.
Er war einige Jahre älter als Gahrvai und Windshare. Sein derzeitiges Amt hatte er der Tatsache zu verdanken, dass er hoch in Prinz Hektors Gunst stand. Andererseits hatte er sich die Gunst des Prinzen damit erworben, dass er dazu neigte, auch schwierige Aufgaben stets zu des Prinzen Zufriedenheit zu erfüllen. Der hochgewachsene, fast schlaksige Doyal mit dem auffallend dunklem Haar war eher für Langmut bekannt als für Körperkraft und körperliche Ausdauer. Doch er besaß all die geistige Schärfe, die Windshare so oft abzugehen schien. Er schien nichts gegen die ihm zugewiesene Rolle als Gahrvais leitender Artillerieoffizier zu haben. Und Windshare und Doyal gemeinsam waren ein ideales Podium für Gahrvai, wenn es darum ging, neue Strategien zu ersinnen.
Allerdings neigte Doyal bedauerlicherweise dazu, kryptische Bemerkungen fallen zu lassen. Gahrvai reagierte auf Doyals Antwort nur mit einer recht rüden Geste.
»Vielleicht möchten Sie sich ja etwas klarer ausdrücken?«, schlug er vor.
»Das ist genau das, was Euer Herr Vater mit uns besprochen hat«, erläuterte Doyal und zuckte erneut die Achseln. »Wir haben uns für Kanonen mit kurzen Rohren entschieden. Nach allem, was Alyks Kundschafter uns berichten, haben die Charisianer lange Rohre vorgezogen. Es klingt nicht so, als wären deren Feldgeschütze in genau der gleichen Art und Weise konstruiert wie die Geschütze an Bord ihrer Schiffe. Dafür sind die Rohre dieser Geschütze dann doch zu kurz - vorausgesetzt natürlich, die Berichte der
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