Die Invasion - 5
hinzufügen, doch dann schloss er den Mund wieder.
Er wird es sich nicht anders überlegen, dachte der Delferahkaner. Ebenso wenig wie ich selbst, hätte ich von meinem König einen derartigen Befehl erhalten. Und, so gestand er sich unwillig ein, es ist ja auch nicht so, als hätte sich Mutter Kirche nicht längst selbst zum Feind von Charis gemacht. Und auch was die Schuld dieser Männer dort betrifft, täuscht sich der Admiral nicht.
Der letzte Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, erschütterte Lakyr tief: Dass er derart Ungeheuerliches auch nur zu denken wagte, bescherte ihm geradezu körperlichen Schmerz. Aber der Gedanke, einmal gefasst, ließ sich nicht wieder zurücknehmen. Tief in Lakyrs Herzen brachte er zudem etwas zum Klingen. Mit einem Mal konnte Lakyr wieder den eigenen Zorn spüren, die eigene Abscheu darüber, dass Graivyr und seine Mit-Schueleriten etwas, das eine gewaltlose Ergreifung charisianischer Händler hier in Ferayd hätte sein sollen - hätte sein können -, in ein Massaker verwandelt hatte.
Vielleicht, sagte eine kaum hörbare Stimme aus den verborgenen Tiefen seines Herzens heraus, ist es wirklich an der Zeit, dass jene, die im Namen der Kirche morden, zur Rechenschaft gezogen werden.
Das war der schrecklichste Gedanke von allen. Denn ihm musste ein Rattenschwanz an anderen Gedanken folgen, ein dräuendes Gebirge aus Gedanken, das nicht nur vor ihm, Sir Vyk Lakyr, aufragte, sondern vor jedem einzelnen Menschen auf der ganzen Welt. Während Lakyr noch zuschaute, wie an Deck von HMS Destroyer den Männern, die sich immer noch wanden, die Schlingen um den Hals gelegt wurden, wusste er, dass er hier die Saat betrachtete, der letztendlich all jene anderen Gedanken und Entscheidungen entspringen würden. Diese Hinrichtungen waren die klare Aussage, dass Menschen für ihr Handeln stets als Menschen zur Rechenschaft gezogen würden, dass man es jenen, die zum Mord anstifteten, die im Namen Gottes folterten und brandschatzten, nicht mehr länger gestatten würde, sich hinter ihren priesterlichen Gewändern zu verstecken. Und das war der wahre Fehdehandschuh, den das Charisianische Kaiserreich der Kirche des Verheißenen vor die Füße zu schleudern wagte.
Die letzte Schlinge wurde dem letzten Verurteilten um den Hals gelegt und festgezogen. Zwei der Priester an Deck der Destroyer warfen sich immer noch verzweifelt hin und her, als glaubten sie, auf diese Weise den rauen Hanfseilen entrinnen zu können. Es erforderte bei jedem von ihnen zwei Marines, um sie festzuhalten. Dann erneut ein Trommelwirbel wie Donnerhall - und Stille.
Lakyr hatte deutlich gehört, wie einer der verurteilten Inquisitoren ohne Unterlass geplappert und um Gnade gebettelt hatte. Doch die anderen standen in völligem Schweigen an Deck, als seien sie nicht mehr in der Lage zu sprechen, als hätten sie endlich begriffen, dass nichts von dem, was sie noch hätten sagen können, irgendetwas an dem zu ändern vermochte, was hier geschehen würde.
Vom Achterdeck der Destroyer aus blickte Baron Rock Point sie an; sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, seine Augen düster.
»Durch Ihre eigenen Worte, durch Ihre schriftlichen Berichte und Aussagen wurden Sie überführt, zum Mord an Männern, Frauen und Kindern angestiftet zu haben. Selbst wenn wir davon nichts wissen, so weiß doch Gott Selbst, welche anderen Gräueltaten Sie noch begangen haben, wie viel Blut Ihre Hände befleckt, während Sie im Dienste jenes korrupten Menschen standen, der sich in die Gewänder des Großinquisitors kleidet. Aber Sie selbst haben sich für diese Morde verurteilt, die Sie hier begangen haben, und das ist mehr als hinreichend.«
»Gotteslästerer!«, schrie Graivyr, die Stimme halb erstickt von Zorn und Furcht gleichermaßen. »Dafür, dass Sie das Blut Gottes Eigener Priester vergießen, werden Sie und Ihr ganzes verderbtes ›Kaiserreich‹ für alle Zeiten in der Hölle schmoren!«
»Es ist gut möglich, dass hier jemand in der Hölle schmoren wird, dafür nämlich, dass er das Blut Unschuldiger vergossen hat!«, entgegnete Rock Point mit eisiger Stimme. »Ich selbst werde einst vor Gottes Gericht treten und dabei nicht fürchten, das Blut, das an meinen Händen klebt, könne mich in Seinen Augen verdammen. Können Sie dasselbe sagen, ›Priester‹?«
»Ja!« Graivyr sprach das Wort voller Leidenschaft aus. Und doch ist da noch etwas anderes, halb verborgen im Ton seiner Stimme, dachte Lakyr. Ein Hauch von Furcht, einer Furcht vor
Weitere Kostenlose Bücher