Die Invasion - 5
jungen Frau namens Nimue Alban, die auf einem Planeten namens Erde geboren war ... und seit beinahe schon eintausend Jahren tot. Nur allzu oft hatte selbst Merlin Schwierigkeiten, dieses Konzept so richtig zu begreifen.
Sein künstlicher Körper, mit den faseroptischen ›Nerven‹ und den fusionskraftwerkgetriebenen ›Muskeln‹ war jetzt der Ort, an dem Nimues Erinnerungen, Hoffnungen und Träume aufbewahrt wurden - und auch die Verantwortung für ihre Mission. Zu dieser Verantwortung gehörte, den ganzen Planeten aus dem anti-technischen Würgegriff der Kirche des Verheißenen zu befreien und eine technisch orientierte Gesellschaft zu begründen, die man vor eintausend Jahren aufgegeben hatte, um das eigene Überleben zu sichern. Athrawes musste den letzten Planeten im ganzen Universum, auf dem noch Menschen lebten, auf den einen, unvermeidbaren Augenblick vorbereiten. Denn auch diese letzten Menschen mussten früher oder später erneut auf jene Spezies treffen, die bei ihrem ersten Kontakt um ein Haar die gesamte Menschheit ausgerottet hätte. Und so war es vielleicht doch ganz gut, dass ein PICA praktisch unzerstörbar war, vielleicht in gewisser Weise sogar unsterblich.
Es war auch ganz praktisch, dass auf der ganzen Welt gerade mal fünfundzwanzig Menschen die Wahrheit darüber kannten, wer - und was - Merlin eigentlich war, und wie seine eigentliche Aufgabe hier auf Safehold lautete. Während Merlin darüber nachdachte, legte er die Stirn in Falten. Jede dieser fünfundzwanzig Personen war männlichen Geschlechts. Während Merlin dabei zuschaute, wie Kaiserin Sharleyans persönliche Abteilung der Imperial Charisian Guard eine Kugel nach der anderen auf die Zielscheiben des Schießstands abfeuerte, stellte er fest, dass er Cayleb wieder einmal voll und ganz Recht geben musste: Es sollte zumindest eine Frau geben, die ebenfalls die ganze Wahrheit kannte. Bedauerlicherweise lag die Entscheidung, wer die ganze Wahrheit darüber erfahren sollte, warum es Menschen auf Safehold gab - und damit auch die ganze Wahrheit über Merlin -, nicht allein bei Merlin und Cayleb. Wäre dem so, wäre Sharleyan schon vor langer Zeit in den ausgewählten Personenkreis aufgenommen worden, der in beide Geheimnisse eingeweiht war - schon lange, bevor Cayleb mit seiner Invasionsflotte von Charis aus ins Gebiet des Corisande-Bundes aufgebrochen war.
Man kann nicht alles haben, Merlin, erinnerte er sich selbst erneut. Und früher oder später wird Maikel auch den Rest der Bruderschaft von Sankt Zherneau zum Umdenken bewegen. Natürlich bleibt da immer noch die interessante Frage, wer ihr das erklären wird, wenn Cayleb neun- oder zehntausend Meilen weit entfernt ist - und du selbst ebenfalls.
Merlin selbst war der Ansicht, Erzbischof Maikel Staynair, das Oberhaupt der schismatischen Kirche von Charis, könne seine störrischen Mitbrüder gar nicht früh genug überzeugen. Captain Athrawes hatte vollstes Verständnis für die Vorsicht, die die Männer walten ließen. Doch Sharleyan in Unwissenheit zu halten, schien ihm sehr kurzsichtig - und das war noch milde ausgedrückt. Eigentlich ging ihm jedes Mal, wenn er über die Zögerlichkeit der Bruderschaft nachdachte, unweigerlich das Wort ›dumm‹ durch den Kopf. Sharleyan war entschieden zu intelligent und zu tüchtig, um nicht über den wahren Sachverhalt aufgeklärt zu werden. Selbst ohne vollständige Informationen hatte sie bereits deutlich zur Schau gestellt, mit welch tödlicher Effektivität sie gegen die Feinde von Charis vorgehen konnte. Und wenn Sharleyan diese Informationen erst einmal hatte, dann würde sie nur noch um so effektiver sein.
Und dabei haben wir noch gar nicht die Kleinigkeit beachtet, dass sie ja schließlich Caylebs Gemahlin ist, nicht wahr? Obwohl sich seine ruhige Miene, die zu seinem ›Schlaf‹ passte, nicht veränderte, verzog er doch innerlich das Gesicht. Kein Wunder, dass Cayleb mittlerweile vor Wut fast platzt! Es wäre ja schon schlimm genug für ihn, wenn er sie nicht auch noch lieben würde, aber das tut er nun einmal. Und selbst wenn man es noch so pragmatisch betrachten möchte: was er an Argumenten vorbringt, stimmt ja einfach! Sie hat das Recht, alles zu erfahren. Wenn man bedenkt, welche Risiken sie einzugehen bereit ist, wen sie sich im Namen von Gerechtigkeit und Wahrheit alles zum Feind machen will, und das ganz und gar aus freien Stücken, dann gibt es niemanden auf diesem ganzen Planeten - Cayleb selbst eingeschlossen! -, der mehr
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