Die Invasion - 5
Vergebung dafür, das zu tun. Manchmal denke ich, das Schwärzeste an allem, wofür Shan-wei steht, ist ihre Fähigkeit, Situationen zu ersinnen, in denen gute und gottesfürchtige Männer sich gezwungen sehen, im Dienste Gottes zwischen verschiedenen Übeln zu wählen. Ist es schändlicher für uns - für uns als Individuen, meine ich -, so zu handeln, wie wir es tun wollen, oder wäre es noch schändlicher, sich zu weigern, hier zu handeln und auf diese Weise zuzulassen, dass dieser ungeheuerliche Kampf gegen Gottes Eigenen Plan für die ganze Menschheit unvermindert fortgesetzt wird?«
Mehrere Sekunden lang lag Schweigen über dem schlicht eingerichteten kleinen Raum, dann schüttelte Halcom den Kopf.
»Ich weiß, dass Sie diese Frage bereits beantwortet haben, Ahlvyn. Wenn Sie weiterhin zweifeln, wenn Sie weiterhin manche der Dinge, die wir hier planen, in Frage stellen, so ist das nur menschlich von Ihnen. Tatsächlich würde es mich vermutlich ungleich mehr beunruhigen, wenn Sie nicht zweifelten. Selbst wenn es erforderlich ist, Blut zu vergießen, sollte uns das niemals leichtfallen. Die Entscheidung sollte niemals bedeutungslos werden. Niemals sollte man zu dem Schluss kommen, ein Blutvergießen sei unabdingbar, ohne davon wirklich und wahrhaftig ganz und gar überzeugt zu sein. Das sollte für jeden Menschen gelten, und ganz besonders für jeden Priester. Aber ich glaube, Sie wissen genauso gut wie ich, dass es in diesem Falle eben wirklich erforderlich ist, und das wir alles tun müssen, was in unserer Macht steht, um sicherzugehen, dass wir auch Erfolg dabei haben werden, Gottes Werk zu tun.«
Er blickte Shumay geradewegs in die Augen, und der jüngere Priester nickte.
»Sie haben natürlich Recht, Sir.« Er tippte auf die Blätter, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Wenn Sie mir einen Augenblick Zeit geben, fasse ich diese Briefe jetzt ab und lege Sie Ihnen vor, ehe wir sie verschlüsseln.«
Mai,
im Jahr Gottes 893
.I.
Talbor-Pass, Dark Hill Mountains,
Corisande-Bund
Geduckt und äußerst vorsichtig schlich Sir Koryn Gahrvai zur vorderen Schanze.
Sich bei Tageslicht so weit nach vorn zu wagen, war durchaus riskant, auch wenn er dieser Überlegung noch vor weniger als zwei Monaten nicht einmal die geringste Bedeutung beigemessen hätte. Doch jetzt hatten seine Männer und er auf die harte Tour gelernt, dass es durchaus tödlich sein konnte, sich ungeschützt einem charisianischen Scharfschützen auf weniger als eintausend Schritt Entfernung zu nähern. Selbst jetzt hörte Gahrvai in der Ferne hin und wieder das charakteristische, peitschenartige Knallen dieser verwünschten Gewehre mit den langen Läufen. Gahrvai fragte sich allerdings, ob derjenige, der dort gerade schoss, tatsächlich ein Ziel anvisiert hatte.
Wahrscheinlich schon. Aber nicht unbedingt. Gequält verzog Gahrvai das Gesicht. Die verfluchten Charisianer haben es in Haryl's Crossing geschafft, uns Angst vor ihren Gewehrschützen einzuimpfen. Uns hin und wieder durch einen einzelnen, auch ungezielten, Schuss daran zu erinnern, ist eine ausgezeichnete Methode, uns das nie wieder vergessen zu lassen!
Nicht, dass jemand, der die Schlacht in Haryl's Crossing überlebt hatte, jemals auch nur die winzigste Einzelheit davon würde vergessen können. Natürlich gibt es nicht allzu viele, die es überlebt haben und immer noch meiner Armee angehören, dachte Gahrvai säuerlich. Die meisten der Männer, die tatsächlich schon erlebt hatten, dass charisianische Marines auf sie gefeuert hatten - und es überlebt hatten -, waren jetzt Gefangene.
Trotzdem hielten seine Soldaten Gahrvai die Treue. Und mehr: Sie setzten weiterhin ihr Vertrauen in seine Führungsqualitäten - was Gahrvai selbst ein wenig überraschte.
Ich habe Charlz wirklich viel zu verdanken, dachte er düster. Mag sein, dass wir so richtig in die Scheiße gegriffen haben. Aber ohne Charlz und seine Kanoniere hätten wir niemanden dort herausholen können. Das wissen die Männer, und genauso wissen sie auch, dass weder er noch ich in Erwägung gezogen haben, die Flucht anzutreten, bevor wir nicht jeden Mann herausgeholt hatten, den wir nur herausholen konnten.
Gahrvai wünschte nur, Doyal hätte die Flucht nicht gar so spät angetreten. Eine Hand voll Artilleristen, die es geschafft hatten, weder zu fallen, noch in Gefangenschaft zu geraten, hatte Sir Koryn davon berichtet, wie Charlz von einem Geschützstand zum nächsten geeilt war, sich auf dem Weg dorthin immer
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