Die Invasion - 5
dass unsere Aufgabe, Mutter Kirche gegen ihre Feinde zu verteidigen, viele unserer rein priesterlichen Pflichten einfach überwiegt. Im Augenblick, und das gilt ganz besonders für gerade diesen Einsatz, müssen wir zuallererst ganz pragmatisch die Taktiken und Vorsichtsmaßnahmen bedenken, die erforderlich sind, um diesen Einsatz auch zu einem Erfolg werden zu lassen.
Jeder, den wir anwerben, erhöht die Anzahl derjenigen, die uns gänzlich unabsichtlich verraten könnten - und damit Gott selbst! Dies kann geschehen, selbst wenn die betreffende Einzelperson ganz und gar vertrauenswürdig ist. Sollten wir dieser Person nicht vertrauen können, weil sie sich nicht ganz und gar dem widmet, was wir in Gottes Namen von ihr verlangen, dann steigert das die Gefahr, verraten zu werden, noch um ein Vielfaches. Und falls wir jemanden anwerben sollten, der - wie Sie ganz zu Recht die Befürchtung hegen - in letzter Sekunde zurückschreckt, dann wird diese Person mit noch viel größerer Wahrscheinlichkeit einen von Wave Thunders Agenten informieren, sobald sie im Voraus erfährt, wie unsere Ziele aussehen. Sollte aber jemand noch zurückschrecken wollen, nachdem sich unsere Truppen bereits versammelt haben, um zuzuschlagen, wird es, ganz offen gesagt, zu spät sein. Allein schon die Tatsache, dass er sich uns angeschlossen hat, noch dazu unter Waffen, und damit seine Bereitschaft bewiesen, etwas zu tun, was der Kaiser und die Kaiserin ihrer Exkommunizierung und dem Interdikt zum Trotz durchaus als Hochverrat ansehen werden, wird für ihn bedeuten, dass ihn der Kaiserliche Gerichtshof für ein Kapitalverbrechen verurteilen wird, ganz egal, was passiert. Und nicht nur das: Sollte betreffende Person den Versuch unternehmen, sich zurückzuziehen oder sich sogar aktiv gegen unsere Pläne zu stellen, werden wir genügend zusätzliche Leute haben, um ihn genau davon abzuhalten.«
Halcom hielt inne, betrachtete über den Tisch hinweg die besorgte Miene seines Privatsekretärs und lächelte betrübt.
»Ich nehme an, in mancher Hinsicht kann man mir zu Recht vorwerfen, ich würde der Zweckdienlichkeit mehr Raum zugestehen als dem Gewissen. Und ich treffe ganz ohne Zweifel Sicherheitsvorkehrungen, die es für jeden, der Gottes Werk tut, praktisch unmöglich macht, hinsichtlich dieser Aufgabe eine Entscheidung aufgrund vollständiger Informationen zu treffen. Aber ich bin nicht nur wie Sie ein Priester von Mutter Kirche, Ahlvyn, ich bin Bischof. Meine Verantwortung erstreckt sich nicht nur auf die Menschen, die an diesem Einsatz gegen die Schismatiker beteiligt sind, sondern auch auf die Seelen all jener, die für alle Zeiten an Shan-wei verloren sein mögen, sollten unsere Bemühungen erfolglos sein. Wie sehr wir das auch bedauern mögen, wir müssen unsere Entscheidungen vor dem Hintergrund eben dieser größeren Verantwortung treffen.«
Die Miene des Bischofs verfinsterte sich, und er schüttelte betrübt den Kopf.
»Ich weiß, dass ich den treuen Söhnen von Mutter Kirche viel abverlange, Ahlvyn. Und es betrübt mich, das tun zu müssen, ohne ihnen gegenüber im Vorhinein gänzlich ehrlich sein zu können. Doch zu meiner Verteidigung mag ich vorbringen, dass ich Ihnen, Ahlvyn, ebenso viel abverlangt habe. Und ebenso mir selbst. Wir beide haben natürlich einen Treueeid auf Gott und Mutter Kirche geschworen. Aber als ich diesen Eid abgelegt habe, hätte ich niemals erwartet, dass in Erfüllung dieser Pflichten von mir verlangt werden könnte, jemals etwas tun zu müssen wie das, was wir gerade planen. Ich weiß, dass Sharleyan sich selbst zu einer Feindin Gottes gemacht hat. Ich weiß, wem sie in Wahrheit dient. Und ich glaube ernstlich, dass das, was wir hier vorhaben, diesem unheiligen Bündnis gegen Mutter Kirche den effektivsten Schlag versetzen kann, zu dem wir nur in der Lage sind. All das ist wahr. Doch wenn ich in meinen Nachtgebeten vor Gott und die Erzengel trete, ertappe ich mich selbst dabei, sie um Vergebung zu bitten.«
»Tatsächlich, Sir?«, fragte Shumay leise nach. Halcom hob eine Augenbraue, und der jüngere Priester zuckte mit den Schultern. »Mir geht es ganz genauso«, erklärte er.
»Natürlich«, erwiderte Halcom traurig. »Sie sind ein Priester. Priester haben die Aufgabe, sich um ihre Gemeinde zu kümmern, und nicht Pläne der Gewalt und des Aufruhrs gegen weltliche Obrigkeiten zu schmieden. Das ist nicht nur die Art und Weise, wie wir denken, sondern auch das, was wir sind. Und deswegen erflehen wir
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