Die Invasion - 5
lassen. Ich bin natürlich für das, was er sich da geleistet hat, stinksauer auf ihn. Aber man sollte der Fairness halber zu seiner Verteidigung vorbringen, dass uns allen genau die gleichen Informationen vorgelegen haben. Ich selbst aber habe bis jetzt gebraucht, um die wahre Sachlage zu begreifen. Wenn man bedenkt, dass Allayn vielleicht nur ein Drittel des Verstandes hat, den Sie oder ich unser Eigen nennen dürfen - und Ihnen wird nicht entgangen sein, dass ich bei dieser Einschätzung schon sehr großzügig bin -, ist es vielleicht etwas ungerecht von mir, übermäßig sauer auf ihn zu sein.«
Kurz dachte Trynair nach. »Ich halte es für das Beste, wenn Allayn angesichts der Berichte aus Ferayd von sich aus seine Einschätzung der Lage änderte«, sagte er dann. »Wir könnten betonen, dass niemand von uns bisher auf die Idee gekommen ist, Galeeren seien Galeonen per se unterlegen. Dann verweisen wir darauf, dass wir bei diesem Angriff auf Ferayd zum ersten Mal angemessene Berichte erhalten haben. Beide Argumente zusammengenommen könnten alle anderen davon überzeugen, dass Allayn die Schwächen einer Galeeren-Flotte sofort erkannt hat, nachdem er die Gelegenheit hatte, entsprechend detaillierte Berichte durchzuarbeiten.«
»Ja, so könnte das vielleicht wirklich funktionieren«, stimmte Clyntahn ihm ein wenig säuerlich zu. »Auch wenn ich zugeben muss, dass ich es allmählich leid bin, etwas, was schiefgelaufen ist, auf meine Kappe zu nehmen, bloß um Schaden abzuwenden, wenn die anderen anfangen, sich darüber aufzuregen. Dennoch glaube ich, dass wir uns jetzt in einer besseren Position befinden, das Ganze im Griff zu behalten ... vorausgesetzt natürlich, niemand sonst erfährt etwas über die Berichte, die Admiral Thirsk und Admiral White Ford nach den Schlachten vor der Felsnadel und in der Klippenstraße abgegeben haben.«
Gequält verzog Trynair das Gesicht und wünschte sich innerlich, Clyntahn hätte sich diese letzte Bemerkung verkniffen. Allerdings waren diese Berichte wirklich nicht allzu weit verbreitet worden. Es dürfte nicht allzu schwer sein, sie diskret verschwinden zu lassen.
»Das wird für Corisande natürlich alles noch schlimmer machen«, sagte Trynair kurz darauf. »Ich war davon ausgegangen, wenn es Hektor gelingt, so lange durchzuhalten, bis im Frühling das Eis dort oben geschmolzen ist, könnten wir eine Flotte zu seiner Unterstützung schicken - eine Flotte, die auch in der Lage ist, sich mit zusätzlichen Truppen zu ihm durchzukämpfen.«
»Das dürfte in der Tat Wunschdenken bleiben«, pflichtete Clyntahn ihm bei.
»Naja, dann ist Corisande wohl für uns verloren, ebenso wie Chisholm und Emerald. Und das wiederum bedeutet, dass es Caylebs ›Charisianisches Kaiserreich‹ vielleicht doch noch geben wird.«
»Eine Zeit lang«, warf Clyntahn grimmig ein. »Eine Zeit lang!«
»Vielleicht nur eine Zeit lang. Denn zählen wir doch mal auf: Corisande fällt; Chisholm und Emerald schließen sich aus freien Stücken Charis an; Cayleb kann Ferayd niederbrennen und sechzehn Inquisitoren anscheinend gänzlich ungestraft hängen lassen; und wir verkünden, wir würden noch eine weitere neue Flotte von Grund auf neu bauen lassen - was wird das wohl für die Moral der Menschen auf dem Festland und der Soldaten unter den Bannern von Mutter Kirche bedeuten? Wenn Hektor sich dann entscheidet, es wie Nahrmahn zu halten und die Seiten zu wechseln, wird das alles nur noch schlimmer machen.«
»Gut wird das nicht sein, nein, sicher nicht«, bestätigte Clyntahn mit deutlich ruhigerer Stimme, als Trynair erwartet hatte. »Andererseits: Wenn es passiert, dann passiert es eben. Im Vorhinein darüber in Panik zu verfallen, bringt doch auch nichts. Abgesehen davon werden Sie vielleicht eine angenehme Überraschung erleben.« Sein Lächeln war alles andere als freundlich. »Ich arbeite an einer kleinen Rückversicherung. Einer Rückversicherung, die es uns ermöglicht, Hektor selbst dann zu unseren Nutzen einzusetzen, falls Corisande sich tatsächlich aus freien Stücken Charis ergibt.«
»Eine Rückversicherung? Was denn für eine Rückversicherung?«
»Ah!« Als wolle Clyntahn sein Gegenüber schelten, wedelte er mit dem Zeigefinger. »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich arbeite noch daran! Ich würde nicht behaupten wollen, es sei bereits alles abgeschlossen, und selbst wenn dem so wäre, weiß doch jeder eine Überraschung zu schätzen. Ich denke, Sie werden wirklich beeindruckt sein, aber ich
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