Die Invasion - 5
Willen aufzwingen muss. Doch es dauerte nicht lange, dann nickte Clyntahn; es wirkte ausgesprochen widerwillig.
»Sie haben nicht Unrecht«, sagte er knapp. »Ich werde mich bemühen, Sie zumindest stets zu informieren - im Vorhinein -, sollte ich das Gefühl haben, es bedürfte weiterer Anweisungen im Namen der Inquisition.«
»Ich danke Ihnen.« Trynair schenkte sich weiteren Wein ein und stellte dabei erfreut fest, dass seine Hand nicht einmal zitterte.
Dann führte er das Glas an die Lippen, sog genießerisch den Duft des Bouquets ein und blickte aus dem Fenster. Erst spät war der Frühling nach Zion gekommen, und es war immer noch bitterkalt. Wenigstens wirbelte kein Schnee mehr durch die Luft. Nicht, dass Trynair der Ansicht gewesen wäre, eisiger Regen und der allgegenwärtige Matsch und Dreck seien so viel besser als das Eis des Winters, selbst wenn er all dies stets bloß aus dem Schutz seiner eigenen, behaglichen Gemächer heraus betrachtete. Diese Gemächer waren ebenso luxuriös wie die Clyntahns, obwohl Trynair deutlich kleinere Fenster vorzog, und das nicht nur, weil er es nicht allzu sehr schätzte, den Schnee oder den Regen sehen zu müssen. Natürlich wusste er, dass das geheimnisvolle Glas, das beim Bau des Tempels verwendet worden war, für die Augen der Sterblichen nur von der Innenseite aus durchsichtig war, und trotzdem hatte Trynair, wenn sie in Clyntahns Gemächern speisten, stets das dumpfe Gefühl, beobachtet zu werden.
Vielleicht, weil ich weiß, dass Zhaspahr es sich zur Gewohnheit gemacht hat, seine Geliebten immer genau vor diesen Fenstern zu besteigen, dachte er sardonisch. Ich frage mich, was es über seine Denkweise verrät, wenn er in einem derartigen Moment immer das Bedürfnis hat, die ganze Stadt Zion zu betrachten.
»Ich denke, das wäre es für diesen Abend auch«, sagte er nach kurzem Nachdenken.
»So ziemlich«, pflichtete Clyntahn ihm bei. »Aber ich habe gerade eine Depesche von Pater Aidryn in Manchyr erhalten.«
»Tatsächlich?« Der Kanzler hob den Blick; seine Miene verriet seine Anspannung.
»Ja, aber sie ist nicht einmal eine Stunde vor unserem vereinbarten Abendessen per Kurier eingetroffen, und sie ist verschlüsselt. Mir blieb nicht mehr die Zeit, sie zu entschlüsseln, bevor ich aufbrechen musste. Ich werde dafür sorgen, dass Sie morgen früh eine entschlüsselte Abschrift erhalten.«
»Ich danke Ihnen.« Trynair lehnte sich in seinem Sessel zurück und fragte sich, ob diese entschlüsselte Abschrift auch eine vollständige Abschrift sein würde.
»Ich bin nicht gerade glücklich über das, was wir bislang über Caylebs Feldzug erfahren haben«, gestand er seinem Gast ein. »Und ich muss zugeben, dass es eine äußerst unschöne Überraschung war herauszufinden, dass es ihm gelungen ist, seinen Einmarsch in Corisande und seine Expedition gegen Ferayd praktisch gleichzeitig durchzuführen.«
»Da muss ich Ihnen zustimmen«, sagte Clyntahn, und nun klang seine Stimme gänzlich anders als vorhin, während sie noch über Ferayd gesprochen hatten. Tatsächlich hatte sich sogar seine ganze Körpersprache geändert. Er saß jetzt aufrechter in seinem Sessel, kniff die Augen zusammen und stellte sein Weinglas vor sich auf den Tisch. Dann stützte er die Arme auf und beugte sich dem Kanzler ein wenig entgegen.
»Eigentlich ist eines der Dinge, die mich an Cayleb ganz besonders stören, seine Fähigkeit, derart straflos zu agieren. Allmählich komme ich zu dem Schluss, Allayns neue Flotte wird etwa so hilfreich sein wie Titten an einem Wildschweindrachen.«
»Was?!« Trynair hob die Augenbrauen. »Das erwähnen Sie aber gerade zum ersten Mal!«
»Es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich sämtliche Indizien zusammengetragen hatte«, gab Clyntahn zu. »Ich bin kein Seefahrer, und ich bin auch kein Soldat. Ich will ehrlich sein: Ich hatte meine eigenen Pflichten, und so war ich gezwungen anzunehmen, Allayn kümmere sich in angemessener Weise um die seinen. Bedauerlicherweise komme ich mehr und mehr zu dem Schluss, dass dem leider nicht so war.«
»Das ist eine sehr schwerwiegende Behauptung, Zhaspahr!«
»Ach, Scheiß auf Behauptungen, Zahmsyn!« Clyntahn hob die Arme gerade lange genug vom Tisch, um abwehrend mit einer Hand zu wedeln. »Ich beschuldige ihn ja nicht, irgendein Spielchen zu spielen oder sich vor seinen Pflichten zu drücken. Das Problem ist, dass sein Vorstellungsvermögen ungefähr so groß ist wie eine getrocknete Erbse. Eine kleine
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