Die Invasion - 5
Ketzer-und-Gotteslästerer-Gefährten abgeschlachtet haben, meinen Sie nicht auch?«
Clyntahns Kiefermuskeln spannten sich an, doch er sagte kein Wort, und Trynairs Nasenflügel bebten.
»Ich bin der Ansicht, sie haben sogar beachtliche Selbstbeherrschung gezeigt«, fuhr der Kanzler fort. »Natürlich liegt das daran, dass sie in Wahrheit beabsichtigten, jene zu bestrafen, die eigentlich für den Tod ihrer Landsleute verantwortlich sind. Und das, Zhaspahr, ist auch der Grund, warum Admiral Rock Point von der Imperial Charisian Navy sechzehn geweihte Priester von Mutter Kirche hat hängen lassen - sechzehn, Zhaspahr!«
Fassungslos riss Clyntahn die Augen auf. Trotz Trynairs unverkennbarem Zorn und obwohl er bereits begriffen hatte, der Inhalt dieser Semaphoren-Nachricht müsse wahrhaft schockierend sein, hatte er doch niemals mit Derartigem gerechnet! Einige Sekunden lang war der Großinquisitor außerstande, irgendetwas anderes zu tun als nur reglos in seinem Sessel sitzen zu bleiben und Trynair anzustarren. Dann schüttelte er heftig den Kopf und wuchtete sich auf die Füße. Sein Gesicht mit den auffallenden Hängebacken verfärbte sich tiefrot vor Zorn.
»Diese Dreckskerle! Diese gottverdammten, mordlüsternen ...«
»Ich bin noch nicht fertig, Zhaspahr!« Trynairs Worte krachten wie ein Musketenschuss, und sprachlos bemerkte Clyntahn den weißglühenden Zorn in den Augen des Kanzlers. Niemand blickte den Großinquisitor in dieser Art und Weise an - niemand!
»Was?« Er zwang sich dazu, dieses eine Wort hervorzustoßen, und Trynair verzog die Lippen.
»Jeder einzelne dieser Priester«, sagte der Kanzler, und seine Stimme klang scharf wie die Sichel des Todes: jedes Wort klar und präzise, wie mit einem Messer abgeschnitten, »war ein Angehöriger des Schueler-Ordens. Und ganz zufälligerweise war ein jeder auch ein Diener der Inquisition.« Er schaute zu, wie sich Clyntahns Gesicht noch mehr verfärbte, und in sein Mienenspiel mischte sich etwas mit dem Zorn, das beinahe schon nach ... Befriedigung aussah. »Und der Grund dafür, dass sie gehängt wurden, Zhaspahr - der Grund dafür, dass ein charisianischer Admiral sechzehn geweihte Diener von Mutter Kirche hat hinrichten lassen wie gewöhnliche Verbrecher -, ist, dass dieses Massaker an Charisianern in Ferayd zwar von delferahkanischen Truppen verübt wurde, aber dahinter nicht Befehle aus Delferahk steckten. Es wurde, wie Sie ganz gewiss längst wissen, unter dem de-facto-Kommando eines gewissen Pater Styvyn Graivyr verübt, seines Zeitens Bischof Ernysts Intendant. Von ihm und fünfzehn weiteren Angehörigen des Schueler-Ordens!«
Wieder hatte Clyntahn den Mund geöffnet. Jetzt stockte er, und Trynair blickte ihn finster an.
»Sie haben uns angelogen, Zhaspahr. Sie haben uns alle angelogen!«
Clyntahn wusste ganz genau, wen Trynair hier mit ›uns‹ meinte. Schließlich hatten sämtliche Mitglieder der ›Vierer-Gruppe‹ für den Rest des Vikariats gewisse Ereignisse ... kreativ umgestaltet.
»Und was hat Sie so unvermittelt auf diese Schlussfolgerung gebracht?«, fragte er nach, statt die Beschuldigung rundweg zurückzuweisen. »Sind Sie bereit, den Worten schismatischer Ketzer Glauben zu schenken? Ist Ihnen nie die Idee gekommen, dass die vielleicht jeden nur erdenklichen Grund haben könnten, über die Geschehnisse in Ferayd Lügen zu verbreiten und Mutter Kirche die Schuld in die Schuhe zu schieben, um ihr eigenes mörderisches Vorgehen zu rechtfertigen?«
»Natürlich ist mir dieser Gedanke gekommen! Bedauerlicherweise haben diese schismatischen Ketzer König Zhames gewisse ... Dokumente zugespielt. Beweise. Ich bin mir sicher, von einem Großteil dieser Dokumente haben Sie längst Abschriften in Ihren Akten, Zhaspahr.«
»Was soll das heißen?« Kaum merklich hatte sich eine gewisse Vorsicht in Clyntahns Stimme geschlichen, und Trynair kniff die Lippen zusammen.
»Sie wissen ganz genau, was das heißen soll! Die haben Graivyrs Akten in die Hände bekommen, Zhaspahr! Die Originale der Berichte, die er und seine Kollegen Inquisitoren Ihnen geschickt haben - Berichte, in denen ganz genau dargelegt ist, welche Rolle sie alle bei diesen Geschehnissen gespielt haben. Ich war tatsächlich sogar recht erstaunt, wie offen und ehrlich Graivyr in seiner Korrespondenz mit Ihnen zugegeben hat, dass der erste Schuss von einem der Delferahkaner abgefeuert wurde und nicht etwa von den Charisianern. Oder dass, kaum dass der erste Schuss gefallen war,
Weitere Kostenlose Bücher