Die Invasion - 5
weiß, Euer Majestät ... Cayleb.« Sie lächelte ihn an. Ihre grauen Augen trübten sich, und ihre Lippen zitterten kaum merklich, als sie ihren Schwiegersohn nun anlächelte. »Ich möchte auch nicht, dass du aufbrichst. Aber wenn wir die Welt so gestalten könnten, wie wir das möchten, dann wäre nichts von alledem geschehen, und du und ich ... wir wären einander niemals begegnet, nicht wahr?«
»Die Heilige Schrift sagt, alles in der Welt geschieht so, wie Gott dies wünscht«, erwiderte Cayleb. Und zumindest das ist wirklich wahr, schoss es ihm durch den Kopf. »Ich glaube, wir wären einander trotzdem begegnet.«
»Ja, vielleicht«, stimmte ihm Alahnah zu. »Vielleicht.«
Sie streckte die Hand aus und strich ihm sanft über die Wange. Als sie ihm dabei tief in die Augen blickte, bemerkte Cayleb, dass sie darin etwas suchte: ein Echo, ein Spiegelbild ihrer Tochter. Und er sah, wie sich die Miene der Königinmutter entspannte, als sie schließlich fündig geworden war ... im gleichen Moment, in dem Cayleb das Gegenstück des Gesuchten in ihren Augen fand.
»Umsorgen Sie sie wohl, Mein Lord!«, sagte er, während sein Blick zu Green Mountain hinüberwanderte, der ruhig neben der Königinmutter stand und die Geschehnisse beobachtete.
»Selbstverständlich, Euer Majestät.« Green Mountain verneigte sich leicht. Dann richtete er sich wieder auf, und ein schiefes, beinahe belustigtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Man könnte wohl sagen, ich habe darin bereits ein wenig Übung.«
»Wahr, nur allzu wahr!« Cayleb erwiderte das Lächeln, dann holte er tief Luft. »Und jetzt muss ich wirklich aufbrechen. Wenn wir die Gezeiten verpassen, dann gelingt es uns vielleicht nicht, zum vereinbarten Zeitpunkt mit der Hauptflotte zusammenzutreffen. Und das würden mir Captain Gyrard und Admiral Lock Island wohl kaum vergeben!«
»Na, das können wir ja wohl nicht zulassen, was?«, ergriff nun wieder Alahnah das Wort. Erneut blickte Cayleb sie an, und sie schüttelte sanft den Kopf. Und dann, ohne jede Vorwarnung, ging sie einen Schritt auf ihren Schwiegersohn zu und schloss ihn fest in die Arme.
Ebenso wie ihre Tochter war Alahnah eine schlanke, zierliche Frau, während Cayleb ein beachtlich muskulöser junger Mann war. Seine Brustmuskulatur war vielleicht noch nicht voll entwickelt. Doch schon jetzt reichten die Arme der Königinmutter nicht mehr ganz um Caylebs Oberkörper herum. Und obwohl diese Arme so zierlich waren, dass sie beinahe schon zerbrechlich wirkten, spürte Cayleb darin doch die Stärke von Chisholm. Die überschwängliche Geste traf ihn unvorbereitet. Dann aber schloss er seine Schwiegermutter ebenfalls in die Arme und spürte, wie sie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte.
Tosender, zustimmender Jubel brandete von der zuschauenden Menschenmenge herüber. Cayleb aber fragte sich, ob auch nur ein einziges Mitglied des Adels von Chisholm jemals glauben würde, dass diese Umarmung gänzlich ungeplant und spontan gekommen war, ohne jegliche Choreographie. Er zweifelte ernstlich daran. Aber es war ihm auch völlig egal.
»Meine Tochter hat eine gute Wahl getroffen«, erklärte Alahnah ihm leise, hob den Kopf und blickte Cayleb erneut tief in die Augen. An ihren Wimpern hingen erste Tränen, und Cayleb löste die Umarmung gerade weit genug, um das verräterische Nass mit dem rechten Zeigefinger sanft fortzuwischen. Wieder lächelte die Königinmutter und schüttelte den Kopf. »Ich hatte noch nie einen Sohn«, sagte sie.
»Dinge können sich ändern«, gab Cayleb zurück.
»Ja. Ja, das können sie.« Ihre Nasenflügel bebten, als sie tief Luft holte, dann ließ sie den Kaiser los und trat wieder einen Schritt zurück. »Aber wir können wirklich nicht zulassen, dass sich Euer Captain und Euer Admiral über Euch ärgern, nicht wahr? Doch nicht über einen charisianischen Kaiser!«
»Nein, wohl nicht.«
Ein letztes Mal streichelte Cayleb seiner Schwiegermutter über die Wange und nickte Green Mountain zum Abschied zu. Dann drehte er sich um und stieg das Fallreep hinauf zum Deck seines Flaggschiffes. Die beißende Kälte des Nordens hüllte ihn dabei ein und der tosende Jubel der Menge, die ihm zuschaute.
.V.
Vikar Zhaspahr Clyntahns Arbeitszimmer,
der Tempel, Zion
Vikar Zhaspahr Clyntahn, Großinquisitor der Kirche des Verheißenen und Generaloberer des Schueler-Ordens, blickte von den Unterlagen auf seinem Schreibtisch auf. Voller Verärgerung kniff er die Augen zusammen. Gerade eben war
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