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Die Invasoren von Ganymed

Die Invasoren von Ganymed

Titel: Die Invasoren von Ganymed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick , Ray Nelson
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ihr fast noch dunkler als die Halle draußen, doch vermochte sie immerhin die Gestalt eines bärtigen, etwas übergewichtigen und zur Glatzenbildung neigenden Mannes zu erkennen, der auf sie zukam und seine Hand ausstreckte.
     »Balkani ist mein Name, Miss Hiashi«, sagte er in geschäftsmäßigem Ton. »Dr. Rudolph Balkani. Der Tiefenanalytiker.« Sie schüttelten die Hände, und Balkani bot ihr eine Sitzgelegenheit an. Es stellte sich heraus, daß es sich um die Couch eines Psychiaters handelte, aber sie legte sich nicht nieder; sie saß nur da und betrachtete mißtrauisch den verschwommenen Umriß des Psychiaters. »Welches ist Ihre Religion, Miss Hiashi?« fragte er, während er nebenbei seine Pfeife zu stopfen begann.
     »Neeg-Part«, sagte sie abwehrend. »Wenn ich kein Neeg-Part wäre, dann wäre ich nicht hier.«
     »Aber auf allen Formularen, die Sie bis jetzt ausgefüllt haben, haben Sie Buddhismus eingetragen. Sie haben den Buddhismus doch nicht etwa aufgegeben?«
     »Es gab noch keine Ganys auf der Erde, als Buddha lebte«, antwortete Joan. »Heute ist man entweder ein Neeg-Part oder nichts.«
     »Ich sehe das eigentlich etwas anders, Miss Hiashi.« Er zündete seine Pfeife an. »Ich betrachte den Neeg-Partismus eigentlich überhaupt nicht als eine Religion, sondern vielmehr als eine geistige Erkrankung, als eine subtile Form des psychotischen Masochismus.«
    »Und ich nehme an, Sie wollen mich von dieser Krankheit heilen?«
    »Ich hoffe, daß Sie mich dabei unterstützen werden.«
     »Tut mir leid«, sagte Joan, »aber meine Unterstützung werden Sie nicht bekommen.«
     Balkani hob die Augenbrauen, »Sie sind mir gegenüber so feindselig, Miss Hiashi. Dabei haben Sie nichts von mir zu befürchten; schließlich bin ich ein Arzt.« Er stieß eine Spur dünnen Rauches aus. »Fühlen Sie sich schuldig, Miss Hiashi?«
    »Nein«, sagte sie. »Nicht besonders. Sie vielleicht?«
     »Ja.« Er nickte. »Dafür, daß ich am Leben bin. Wir alle sollten tot sein, jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf diesem Planeten; wir alle hätten unser Leben hingeben sollen, statt uns den Ganys zu unterwerfen. Glauben Sie nicht, daß es so ist, Miss Hiashi?«
     Sie hatte nicht erwartet, solche Worte von einem WükPsychiater zu hören. Einen Augenblick lang dachte sie, dieser Mann könnte ihr Freund sein, jemand, dem sie vertrauen konnte.
     »Es ist zu verurteilen, was wir getan haben, Miss Hiashi«, fuhr Balkani fort. »Und deshalb sollten wir natürlich bestraft werden. Wir verlangen nach der Bestrafung; wir brauchen sie; tatsächlich können wir nicht mehr ohne sie leben. Ist das richtig, Miss Hiashi? Daher wenden wir uns einer so sinnlosen Sache wie dem Neeg-Partismus zu, und darin erfüllt sich dieses tiefe und grundlegende Verlangen in uns allen, das Verlangen nach Bestrafung. Aber da ist noch ein viel tieferes Verlangen. Das Verlangen nach Vergessen, Miss Hiashi. Alle meine Patienten, ein jeder auf seine Weise, sehnen sich nach dem Alles-Vergessen. Sie wollen nicht mehr sein. Sie wollen sich selbst verlieren.
    Und wie ist das zu erreichen, Miss Hiashi? Es ist unmöglich, wenn man einmal vom Tod des Individuums absieht. Es ist ein fernes, immer weiter zurückweichendes Ziel. Und so erzeugt es die Sucht. Dem Sucher nach dem Vergessen wird die Erfüllung seines Traums vom Nicht-mehr-Sein versprochen durch Drogen, durch Alkohol, durch Wahnsinn, durch das Spielen von Rollen… aber dieses Versprechen wird niemals eingehalten. Es ist nur erlaubt, ein bißchen vom Geschmack des Vergessens zu spüren; genug, um Appetit nach mehr zu erzeugen. Das Sichbeteiligen an einer verlorenen Sache, wie etwa an der Neeg-PartBewegung, ist lediglich eine etwas subtilere Form dieses universellen, dem Trieb der Lemminge verwandten Verlangens nach Vergessen.«
     Am Ende dieser Tirade war Dr. Balkani in sichtliche Atemnot gekommen; er schwitzte, und sein Gesicht erstrahlte in einer unnatürlichen Röte.
     »Wenn Sie das alles wirklich glauben«, sagte Joan, »dann müßten Sie es nicht so laut aus sich herausschreien.« Dennoch fürchtete sie sich vor ihm. Und was er als nächstes sagte, verstärkte ihre Furcht nur noch mehr.
     »Wollen Sie nicht die neue Therapie kennenlernen, mit der ich diese nach dem Vergessen Süchtigen heilen will?« fragte Balkani. »Die neue Technik, die zu perfektionieren ich so viele Jahre gebraucht habe – und die zu erproben ich jetzt bereit bin?«
     »Nein«, sagte sie; der fanatische Glanz in den Augen

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