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Die irische Heilerin

Die irische Heilerin

Titel: Die irische Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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die Klinge zu beschädigen. Er würde die nächsten Tage erst einmal damit verbringen, seinen unsicheren Griff wieder zu festigen.
    Auch wenn sich der Ast ungelenk in seiner linken Hand anfühlte, so konnte er ihn doch wenigstens festhalten. Als er ihn in seine rechte Hand nehmen wollte, fiel er zu Boden.
    Frustration und Zweifel stiegen in ihm auf und schwächten sein Selbstvertrauen. Schließlich setzte er sich, mit dem Rücken gegen einen Eichenstamm gelehnt. Seine Hände waren aufgerissen von der Anstrengung des Kämpfens. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und bemerkte Blutspuren an seinen Handflächen. Eileen würde die Blasen behandeln müssen.
    Der Gedanke an sie ernüchterte ihn. Er hatte nicht vorgehabt, ihr offen zu sagen, was er dachte. Sie hatte große Kenntnisse als Heilerin, aber für ihn war es nicht genug.
    Er hatte ein Wunder gewollt. Als Gott ihm das nicht gewährte, hatte er sich gegen jene Person gewandt, die alles unternahm, um ihm zu helfen. Er bereute seine Worte, aber sie entsprachen der Wahrheit. Er stellte ihre Fähigkeiten, ihre Erfahrungen tatsächlich in Frage. Wenn sie älter wäre, hätte er dann jetzt mehr Kraft in seinen Händen?
    Ein leises Knacken ließ ihn den Kopf heben. Er griff nach dem Ast, entspannte sich aber, als er sah, dass es der Junge war, den er schon zuvor getroffen hatte. Whelon, wie er sich erinnerte.
    „Was willst du?“, fragte Connor.
    Der Junge benutzte Krücken, um sich vorwärts zu bewegen, und verursachte damit ein lautes Rascheln der Blätter. Er musterte Connor, dann fiel sein Blick auf den Ast. „Was ist mit deinem Schwert passiert?“
    Connor wollte seine Unfähigkeit, Traherns Waffe aus der Hütte mitzuführen, nicht zugeben. Stattdessen bediente er sich lieber einer anderen Version der Wirklichkeit. „Es wurde mir gestohlen. Von denselben Männern, die mir die Hände zertrümmert haben.“
    „Normannen?“
    „Die Ó Banníons“, stellte Connor klar.
    Whelon streckte seine Hand aus. „Darf ich ihn einmal anfassen?“
    Mit seiner linken Hand hielt Connor dem Jungen den Ast hin. Er war genauso groß wie Whelon selbst und so dick wie sein Handgelenk. Der Knabe streckte ihn vor sich aus, den Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht. „Ist das die Art, wie du trainierst?“
    Die intensive Sehnsucht des Jungen beschämte ihn. Wieso träumte ein Kind davon, wie ein Krieger zu trainieren, wenn ihm ein Bein fehlte?
    „In Ansätzen könnte man es als solches bezeichnen.“
    Whelon reichte den Ast wieder an Connor zurück. „Zeig es mir.“
    Connor zögerte. Er wollte den Jungen nicht verletzen. „Ich glaube nicht, dass du es kannst. Dein Bein …“
    „Ich habe ein gesundes Bein.“
    „Das stimmt. Aber ein Schwertkämpfer muss eine gute Balance haben, um eine Chance gegenüber dem Gegner zu haben. Ich fürchte, dass …“
    „Du hast Angst, dass ich sterben werde, wenn ich das Kämpfen mit dem Schwert lerne“, sagte Whelon. „Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich kann die richtige Beinarbeit lernen.“
    „Man braucht auch Durchhaltevermögen und Schnelligkeit.“ Connor weigerte sich, die Wirklichkeit zu ignorieren. Wenn der Knabe trainieren wollte, musste er mit seinen begrenzten Möglichkeiten konfrontiert werden.
    „Durchhaltevermögen habe ich“, stellte Whelon klar. „Immerhin bin ich bis zu diesem Ort gekommen, um dich zu treffen.“
    „Woher wusstest du eigentlich, dass ich hier bin?“
    „Ich habe dich aus Eileens Cottage kommen sehen. Und ich beobachtete dich schon vorher einmal beim Trainieren.“
    Connor gefiel die Vorstellung, beschattet worden zu sein, noch viel weniger, wenn dies ein Junge tat, der falsche Vorstellungen von seinen realen Chancen hatte. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann dich nicht im Schwertkampf unterweisen.“
    Whelon sah im ersten Moment so aus, als wollte er dem etwas entgegensetzen, blieb dann aber doch still. Ein Ausdruck des Mitleids huschte schließlich über sein Gesicht. „Ich dachte, du würdest es vielleicht verstehen. Aber es scheint, da habe ich mich wohl getäuscht.“
    Der Junge blickte den Älteren nicht mehr an, sondern drehte sich um und hinkte mit seinen Krücken aus dem Wald. Am Horizont tauchte die Sonne die Wiesen in Scharlachrot und Gold. Connor stand auf und trat über den am Boden liegenden Ast hinweg. Ob einem Mann ein Bein fehlte oder er seine Hände nicht richtig gebrauchen konnte, das Ergebnis war dasselbe. Er hatte nicht das Recht, ein Krieger zu sein.
    Aber mit

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