Die irische Signora
erster in seiner Familie zu einem erfolgreichen Geschäftsmann gebracht. Er wohnte in einer Junggesellenwohnung mit Blick aufs Meer und besuchte – stets in Begleitung mehrerer Personen – Premieren und Vernissagen.
Wenn man von ihm hin und wieder in der Zeitung las, war es immer im Zusammenhang mit einer Gruppe von Leuten; oder es hieß, daß er beim Rennen neben führenden Persönlichkeiten in der Loge gesessen hatte. Sollte er einmal heiraten, dann kam eine Verbindung mit einer Familie wie der von Mr. Hayes in Frage. Gott sei Dank war
dessen
Tochter erst ein kleines Schulmädchen, sonst wäre sie die ideale Partie für ihn gewesen.
»Mutter, warum kommst du nicht einmal an einem Mittwoch mit dem Zug nach Dublin und gehst mit ein paar Freundinnen ins Hayes-Hotel essen? Ich sorge dafür, daß man dich bevorzugt behandelt.«
»Ich habe keine Freundinnen mehr in Dublin.«
»Doch, das hast du.« Connie zählte einige auf.
»Ich will ihr Mitleid nicht haben.«
»Wenn du sie nett zum Essen einlädst, werden sie dich kaum bemitleiden. Bitte, ein Versuch kann nicht schaden. Vielleicht laden
sie
dich dann ein anderes Mal ein. Du kannst das ermäßigte Tagesticket benutzen.«
Widerstrebend erklärte sich ihre Mutter einverstanden.
Sie bekamen einen Tisch in der Nähe von Mr. Kanes Gesellschaft, zu der ein Zeitungsverleger und zwei Kabinettsminister zählten. Die Damen genossen ihren Lunch und ebenso die Tatsache, daß man ihnen anscheinend mehr Aufmerksamkeit entgegenbrachte als den ach so wichtigen Leuten am Nebentisch.
Wie Connie gehofft hatte, erwies sich das Essen als riesiger Erfolg. Eine der Teilnehmerinnen meinte, sie wolle sich revanchieren und die anderen einladen. Es sollte wieder an einem Mittwoch stattfinden, in einem Monat. Und so ging es weiter. Connies Mutter wurde immer fröhlicher und selbstbewußter, da kaum jemand ihren Mann erwähnte. Nur gelegentlich war von »dem armen Richard« die Rede, aber so hätten sie gegenüber jeder Witwe über den Verstorbenen gesprochen.
Connie schaute stets an ihrem Tisch vorbei und lud sie zu einem Glas Portwein ein, mit den besten Empfehlungen. Vor aller Augen unterschrieb sie dann die Bestellung, damit jeder sehen konnte, daß das auf ihre Rechnung ging. Dabei blickte sie jedesmal mit einem kurzen Lächeln zum Tisch der Kane-Gesellschaft hinüber.
Nach dem viertenmal zeigte sich, daß sie ihm tatsächlich aufgefallen war. »Sie sind sehr liebenswürdig zu diesen älteren Damen, Miss O’Connor«, sagte er.
»Meine Mutter und ein paar ihrer Freundinnen. Sie gehen so gerne hier essen, und ich freue mich immer, wenn Mutter kommt, sie wohnt nämlich auf dem Land, wissen Sie.«
»Ach, und wo wohnen
Sie
?« fragte er mit großen Augen, gespannt auf ihre Antwort.
Das wäre das Stichwort gewesen für eine Antwort wie: »Ich habe meine eigene Wohnung«, oder: »Ich lebe alleine.« Doch Connie war auf diese Frage vorbereitet. »Nun, ich wohne natürlich in Dublin, Mr. Kane, aber ich hoffe, bald einmal zu verreisen und auch andere Städte kennenzulernen.« Sie gab nichts preis. Sein Interesse war geweckt, das war an seinem Gesicht abzulesen.
»Das sollten Sie auch, Miss O’Connor. Waren Sie schon einmal in Paris?«
»Leider nein.«
»Ich fahre nächstes Wochenende dorthin. Hätten Sie Lust, mich zu begleiten?«
Sie lachte freundlich, als würde sie nicht über ihn, sondern mit ihm lachen. »Wäre das nicht schön! Aber ich fürchte, es kommt nicht in Frage. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.«
»Vielleicht würden Sie mit mir essen gehen, wenn ich wieder zurück bin. Dann kann ich Ihnen davon erzählen.«
»Sehr gerne.«
Und so fing sie an, die Romanze zwischen Connie O’Connor und Harry Kane. Während der ganzen Zeit wußte Connie, daß Siobhan Casey, seine ihm treu ergebene Sekretärin, sie haßte. Sie versuchten, ihre Beziehung, so gut es ging, geheimzuhalten, aber das war nicht immer einfach. Wenn er Karten für die Oper bekam, wollte er mit ihr hingehen und nicht mit einer Gruppe von Personen, die eigens für ihn ausgewählt waren. Schon bald wurden ihre Namen miteinander in Verbindung gebracht. Eine Kolumnistin beschrieb sie als seine blonde Begleiterin.
»Das gefällt mir nicht«, sagte sie, als sie es in einer Sonntagszeitung las. »Es klingt ein bißchen so, als wäre ich ein billiges Flittchen.«
»Weil du meine Begleiterin bist?« Er zog die Augenbrauen nach oben.
»Du weißt schon, was ich meine. Bei ›Begleiterin‹ denkt man sich
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