Die irische Signora
Brautvater leider nicht mehr unter den Lebenden weile, übernehme er es an seiner Stelle zu sagen, wie glücklich und stolz Richard gewesen wäre, wenn er diesen Tag erlebt und seine hübsche Tochter so strahlend und glücklich gesehen hätte. Das Hayes-Hotel schätze sich glücklich, daß Connie Kane, wie sie von nun an heiße, so lange hier weiterarbeiten wolle, bis die Umstände sie daran hinderten.
Daß die Frau eines so reichen Mannes als Empfangsdame in einem Hotel arbeiten wollte, bis sie schwanger wurde, löste aufgeregtes Gekicher aus. Man ging jedoch davon aus, daß ein Baby nicht lange auf sich warten lassen würde.
Das Paar verbrachte die Flitterwochen auf den Bahamas, zwei Wochen, von denen Connie geglaubt hatte, es würden die schönsten ihres Lebens werden. Sie mochte es, sich mit Harry zu unterhalten und mit ihm zu lachen. Sie liebte es, mit ihm am Strand spazierenzugehen, in der Morgensonne am Ufer Sandburgen zu bauen, händchenhaltend den Sonnenuntergang zu genießen, bevor sie zum Essen und danach zum Tanzen gingen.
Was ihr allerdings überhaupt nicht gefiel, nicht das kleinste bißchen, war, mit ihm ins Bett zu gehen. Damit hätte sie am allerwenigsten gerechnet. Aber er war so grob und ungeduldig. Und er war schrecklich ungehalten, weil sie auf seine Bemühungen keine Reaktion zeigte. Als sie dann wußte, was er von ihr erwartete, und Erregung vorzutäuschen begann, durchschaute er sie sofort.
»Nun hör schon auf, Connie, dieses alberne Keuchen und Stöhnen ist ja richtig peinlich.«
Noch nie war sie so verletzt gewesen und hatte sich so einsam gefühlt. Gerechterweise mußte sie zugeben, daß er sich wirklich bemühte. Bald war er sanft, umwarb sie und schmeichelte ihr. Bald umarmte und liebkoste er sie. Doch sobald es ernst wurde und der Akt vollzogen werden sollte, verkrampfte sie sich und wurde abweisend, auch wenn sie sich noch so sehr einredete, daß sie es beide wollten.
Manchmal lag sie lange wach in der dunklen, warmen Nacht und lauschte dem Zirpen der Zikaden und den ungewohnten Geräuschen der karibischen See in der Ferne. Sie fragte sich, ob wohl alle Frauen so empfanden. Handelte es sich gar um eine gigantische Verschwörung, daß die Frauen schon seit Jahrhunderten so taten, als gefiele es ihnen, obwohl sie im Grunde nur Kinder und eine gesicherte Existenz wollten? Hatte ihre Mutter das gemeint, als sie ihr riet, auf einer Absicherung zu bestehen? Selbst heutzutage, in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, war das für Frauen nicht selbstverständlich. Männer hingegen konnten ihr Heim verlassen, ohne deswegen als Schurken dazustehen, Männer konnten all ihre Ersparnisse beim Wetten verlieren wie ihr Vater und galten trotzdem noch als prima Kerle.
In jenen langen, heißen, schlaflosen Nächten, in denen sie reglos im Bett lag, um ihn nicht zu wecken und das Ganze noch einmal über sich ergehen lassen zu müssen, dachte Connie auch über die Worte ihrer Freundin Vera nach. »Connie, um Himmels willen, geh endlich mit ihm ins Bett. Damit du weißt, ob es dir überhaupt gefällt. Mal angenommen, du findest es scheußlich – dann müßtest du es ein Leben lang ertragen.«
Sie hatte nein gesagt. Es erschien ihr wie Betrug, Sex als Waffe einzusetzen, sich erst ewig zu verweigern und dann zuzustimmen, nur weil ihr der Verlobungsring sicher war. Er hatte es respektiert, daß sie jungfräulich in die Ehe gehen wollte. Doch in all den Monaten vor der Hochzeit hatte es durchaus Momente gegeben, in denen er sie erregt hatte. Warum hatte sie ihrem Begehren damals nicht nachgegeben, anstatt auf das hier zu warten? Es war eine Katastrophe. Eine Enttäuschung, die ihr Leben überschatten würde.
Nach acht Tagen und acht Nächten, die für zwei junge, gesunde Menschen eigentlich zu den schönsten ihres Lebens zählen sollten, die sich jedoch zu einem Alptraum aus Frustrationen und Mißverständnissen auswuchsen, beschloß Connie, wieder die selbstbewußte Frau zu werden, die sie einmal gewesen war und die ihn so sehr in den Bann gezogen hatte. In ihrem besten zitronengelb und weiß gemusterten Kleid setzte sie sich auf den Balkon, eine Schale mit Obst und eine Kanne Kaffee standen bereit. Dann rief sie ihn: »Harry, steh schon auf und nimm eine Dusche, wir müssen uns unterhalten.«
»Immer willst du dich nur unterhalten«, nuschelte er in sein Kissen.
»Beeil dich, Harry, der Kaffee bleibt nicht ewig heiß.«
Zu ihrer Überraschung folgte er ihrer Aufforderung und kam,
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