Die irische Signora
dem Geld weniger einsam?«
»Ich denke, ich habe weniger Angst«, sagte sie.
»Wovor hattest du Angst? Daß ich alles verlieren würde wie dein Vater, daß du wieder arm wärst?«
»Nein, das ist es überhaupt nicht.« Sie sprach mit klarer Stimme. Er wußte, daß sie die Wahrheit sagte. »Nein, es hat mir nie etwas ausgemacht, arm zu sein. Ich konnte mir meinen Lebensunterhalt verdienen, im Gegensatz zu meiner Mutter. Aber ich hatte Angst davor, so verbittert zu werden wie sie, ich befürchtete, dich zu hassen, wenn ich wieder die Arbeit annehmen müßte, die ich wegen dir aufgegeben habe, wenn ich noch einmal ganz von vorne anfangen müßte. Ich könnte es nicht ertragen, wenn das Leben der Kinder so völlig anders würde, als sie es erwarten. Ich habe das am eigenen Leib erfahren, und davor hatte ich Angst. Wir hatten so vieles gemeinsam, wir verstanden uns immer so gut, nur nicht im Bett. Ich wollte, daß es bis zu unserem Tod so bleibt.«
»Ich verstehe.«
»Kannst du nicht mein Freund sein, Harry? Ich liebe dich und will nur das Beste für dich, auch wenn ich es anscheinend nicht zeigen kann.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte er und griff nach seinem Autoschlüssel. »Ich weiß nicht. Ich würde gerne dein Freund sein, aber ich glaube nicht, daß ich dir vertrauen kann, und zu Freunden muß man Vertrauen haben.« Dann wandte er sich an den glucksenden Richard in seinem Hochstuhl: »Sei nett zu Mummy, mein Sohn, es sieht vielleicht so aus, als hätte sie ein wunderschönes Leben, aber sie hat auch ihre Probleme.« Als er weg war, weinte Connie, daß ihr schier das Herz zerspringen wollte.
Das zweite Baby war ein Mädchen: eine kleine Veronica. Ein Jahr darauf kamen noch Zwillinge. Als auf dem Ultraschallgerät zwei Embryos sichtbar wurden, war Connie überglücklich. In ihrer Familie hatte es schon eine Reihe von Zwillingen gegeben, wie wundervoll. Sie dachte, auch Harry würde sich freuen. »Wie ich sehe, bist du zufrieden«, sagte er eiskalt. »Das macht also vier. Du hast dein Soll erfüllt. Jetzt ist endlich Schluß mit diesem scheußlichen, schmutzigen Geschäft. Welch eine Erleichterung.«
»Du kannst sehr, sehr grausam sein«, erwiderte sie.
Der Außenwelt erschienen sie selbstverständlich als perfektes Paar. Mr. Hayes, dessen Tochter Marianne inzwischen zu einer jungen Schönheit herangewachsen war und von Dublins Mitgiftjägern umschwärmt wurde, hielt immer noch freundschaftlichen Kontakt zu Connie und holte bei Fragen, die das Hotel betrafen, oft ihren Rat ein. Falls er den Eindruck hatte, daß ihre Augen manchmal sehr traurig wirkten, erwähnte er es zumindest nicht.
Es war ihm zu Ohren gekommen, daß Harry Kane es mit der ehelichen Treue nicht sehr genau nahm. Man hatte ihn öfter mit anderen Frauen gesehen. Außerdem war da immer noch die ihm bedingungslos ergebene Sekretärin. Aber die Jahre verstrichen, und der aufmerksame Mr. Hayes nahm an, daß das Ehepaar wohl ein Arrangement getroffen hatte.
Der älteste Sohn, Richard, war nicht nur ein guter Schüler, er spielte sogar in der Stamm-Mannschaft seiner Schule beim Rugby-Cup. Die zweite, Veronica, kannte seit ihrem zwölften Geburtstag kein anderes Ziel, als Medizin zu studieren, und die Zwillinge waren nette, ausgelassene Jungen.
Immer noch gaben die Kanes rauschende Partys und wurden häufig zusammen in der Öffentlichkeit gesehen. Connie war in ihrem vierten Lebensjahrzehnt eine elegantere Erscheinung als jede ihrer Altersgenossinnen. Obwohl man bei ihr nie den Eindruck hatte, daß sie viel Zeit auf die Lektüre von Modemagazinen verwendete oder ausschließlich die Kreationen von bekannten Modeschöpfern kaufte – was sie sich hätte leisten können –, war sie immer perfekt angezogen.
Doch sie war nicht glücklich. Natürlich war sie nicht glücklich. Aber schließlich, dachte Connie, lebten viele Menschen in der Hoffnung, daß irgendwann alles besser würde, daß plötzlich alles in einem hellen Licht erstrahlen oder der Film von nun an in Farbe weitergehen würde.
Vielleicht erging es sogar den meisten Leuten so, und das ganze Gerede über Glück war nur Schall und Rauch. Durch ihre jahrelange Tätigkeit im Hotel wußte sie, daß viele Menschen sich einsam und unzulänglich fühlten. Auch von dieser Seite des Lebens erfuhr man beim Umgang mit den Gästen. Und als Mitglied verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen konnte sie feststellen, daß manche sich nur dort engagierten, um die einsamen Stunden
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