Die irische Signora
einem schnittigen BMW bis vor die Haustür gefahren.
»Du solltest deine Freundin einmal hereinbitten, Laddy.« Maggie hatte ein paarmal aus dem Fenster gespäht und nur die Silhouette einer attraktiven Frau sehen können, die am Steuer saß.
»Ach, nein, Constanza muß gleich weiter. Sie hat einen weiten Heimweg«, entgegnete er.
Constanza! Hatte diese seltsame Lehrerin die ganze Klasse etwa hypnotisiert, daß alle bei ihren Spielchen so willig mitmachten? Wie der Rattenfänger von Hameln. Laddy verpaßte ein Billardturnier, das er mit Sicherheit gewonnen hätte, nur weil er den Kurs nicht ausfallen lassen wollte. In dieser Woche nahmen sie die Körperteile durch, und er und Francesca würden diese der Klasse demonstrieren müssen, den Hals, den Ellbogen, die Knöchel. Er hatte alles schon gelernt: bei
la gola
legte er die Hand an den Hals, bei
i gomiti
eine Hand an jeden Ellbogen, und dann beugte er sich nach unten, um
la caviglia
an jedem Fuß zu berühren. Francesca würde ihm nie verzeihen, wenn er nicht kam. Das Billardturnier würde er eben verpassen, na wenn schon, es würde noch mehr davon geben. Aber die Körperteile nahmen sie nur einmal durch. Und er wäre selbst auch ziemlich wütend gewesen, wenn Francesca geschwänzt hätte, um an irgendeinem blöden Turnier teilzunehmen.
Gus und Maggie sahen sich verwundert an. Schließlich entschieden sie, daß es gut für Laddy war. Es mußte einfach gut für ihn sein, denn sie hatten schon genug Sorgen in ihrem Leben. Einige Reparaturen waren nun nicht mehr aufzuschieben, aber sie hatten schlicht kein Geld dafür. Auch Laddy hatten sie erzählt, daß sie gerade in einer schwierigen Lage waren, aber er schien es nicht richtig begriffen zu haben. Sie versuchten, nicht weiter als bis zum nächsten Tag zu denken. Wenigstens war Laddy glücklich. Wenigstens war Rose in dem Glauben gestorben, daß alles in Ordnung war.
Manchmal bereitete es Laddy Mühe, sich all die Vokabeln zu merken. Von der Schule her war er es nicht gewohnt, soviel zu lernen, denn die Ordensbrüder hatten es nicht von ihm verlangt. Aber in dieser Klasse wurde von ihm erwartet, daß er mithielt.
Gelegentlich saß er mit den Fingern in den Ohren auf der Schulhofmauer und lernte die Wörter auswendig. Und die richtige Betonung.
Dov’è il dolore
mußte wie eine Frage klingen. Das würde der Arzt ihn fragen, wenn er einmal im Krankenhaus landete. Man wollte doch nicht wie ein Dummkopf dastehen, der nicht wußte, wo es einem weh tat. Also mußte man sich die Frage merken.
Dov’è il dolore
wiederholte er immer wieder.
Mr. O’Brien, der Direktor dieser Schule, kam und setzte sich neben ihn. »Wie geht’s?« fragte er.
»
Bene, benissimo
.« Die Signora hatte ihnen aufgetragen, alle Fragen auf italienisch zu beantworten.
»Klingt toll … Und gefällt Ihnen der Kurs? Wie heißen Sie noch mal?«
»
Mi chiamo Lorenzo
.«
»Natürlich. Nun, Lorenzo, ist der Kurs sein Geld wert?«
»Ich weiß nicht, wieviel er kostet, Signor. Die Frau meines Neffen hat für mich bezahlt.«
Tony O’Brien spürte eine leichte Beklemmung, als er diesen großen, einfältigen Mann betrachtete. Aidan Dunne hatte zu Recht für diesen Kurs gekämpft. Und anscheinend lief alles bestens. Die unterschiedlichsten Menschen hatten sich eingeschrieben. Sogar die Frau von Harry Kane, aber auch ein Krimineller wie dieser Typ mit dem finsteren Blick.
Das hatte er inzwischen auch Grania gegenüber geäußert, aber sie fand immer noch, daß er sie von oben herab behandelte und ihrem Vater für seine Verdienste sozusagen gönnerhaft auf die Schulter klopfte. Vielleicht sollte er ein paar Worte Italienisch lernen, dann würde Grania sehen, daß es ihn wirklich interessierte.
»Was nehmen Sie heute durch, Lorenzo?«
»Nun, diese Woche lernen wir die Körperteile, falls wir in Italien einen Herzinfarkt bekommen oder einen Unfall haben. Das erste, was der Arzt fragt, wenn man auf der Bahre liegt, ist:
Dov’è il dolore?
Wissen Sie, was das heißt?«
»Nein, weiß ich nicht. Ich bin schließlich nicht im Kurs. Der Arzt würde also sagen:
Dov’è il dolore
?«
»Ja, das heißt ›Wo tut es weh?‹ Und dann sagt man es ihm.«
»
Dov`è
heißt ›wo ist‹. Stimmt das?«
»Ja, so muß es sein, wie bei
Dov’è il banco
und
Dov’è il albergo
. Sie haben recht,
Dov’è
muß ›wo ist‹ heißen.« Laddy wirkte zufrieden, als ob ihm dieser Zusammenhang bisher noch nie aufgefallen wäre.
»Sind Sie verheiratet,
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