Die irische Signora
Gefallen getan«, meinte Brigid und machte eine Kopfbewegung zur Tür, durch die Tony O’Brien verschwunden war.
»Hör mal, das finde ich überhaupt nicht witzig«, fauchte Grania.
»Ich auch nicht«, bemerkte Fiona mißbilligend. »Ich möchte nicht mit irgend jemandem schlafen, sondern mit dem Jungen, in den ich verliebt bin.«
»Ja, ist ja gut.« Brigid war eingeschnappt.
Grania schenkte ihnen Wein nach. »Wir wollen uns nicht streiten«, meinte sie.
»Wer streitet denn?« fragte Brigid und hielt ihr das Glas hin.
»Wißt ihr noch, in der Schule haben wir immer dieses Wahrheitsspiel gespielt, wo man ganz ehrlich sein muß.«
»Ja, und du hast immer ganz schön ausgeteilt«, erinnerte sich Brigid.
»Laßt uns das doch spielen. Ihr zwei sagt mir, was ich tun soll.«
»Du solltest nach Hause gehen und mit Dad sprechen. Er vermißt dich wirklich«, begann Brigid.
»Und du solltest mit ihm über andere Dinge reden – über die Bank, die Politik, seinen Abendkurs. Nicht über Sachen, die ihn an … äh … Tony erinnern, bis er sich mehr daran gewöhnt hat«, sagte Fiona.
»Und was ist mit Mam? Bin ich ihr wirklich egal?«
»Nein, ich habe das nur gesagt, um dich zu ärgern. Aber irgendwas geht ihr ständig durch den Kopf, vielleicht die Arbeit oder die Wechseljahre. Du bist für sie jedenfalls nicht das Thema Nummer eins wie für Dad.«
»Das sind ehrliche Antworten«, meinte Grania. »Jetzt kommt Brigid dran.«
»Ich finde, Brigid sollte nicht allen damit in den Ohren liegen, daß sie zu dick ist«, sagte Fiona.
»Weil sie nämlich gar nicht dick ist, sondern ziemlich sexy. Ein knackiger Hintern und mächtig Holz vor der Hütte. Darauf stehen doch die Typen«, fügte Grania hinzu.
»Und dazu noch eine echte Wespentaille«, meinte Fiona.
»Aber sie nervt schrecklich, wenn sie von ihren blöden Kalorien und Reißverschlüssen faselt«, lachte Grania.
»Ihr habt leicht reden mit euren Traumfiguren.«
»Nervig und sexy, eine ausgefallene Kombination«, sinnierte Grania.
Und da spielte ein schwaches Lächeln um Brigids Mund, weil sie erkannte, daß ihre Schwester es ernst meinte. »Gut. Jetzt Fiona«, meinte Brigid sichtlich erfreut.
Die Schwestern dachten nach. Es war leichter, jemanden aus der eigenen Familie aufs Korn zu nehmen.
»Dafür muß ich mich erst noch mit einem kräftigen Schluck wappnen«, sagte Fiona unvermittelt.
»Sie ist zu bescheiden.«
»Zu schüchtern.«
»Hat keine eigene Meinung.«
»Kann sich zu nichts entschließen.«
»Ist nie richtig erwachsen geworden und hat nicht begriffen, daß jeder selbst seine Entscheidungen treffen muß.«
»Wird wahrscheinlich ihr Leben lang ein Kind bleiben.«
»Sag das noch mal«, unterbrach Fiona.
Grania und Brigid fragten sich, ob sie womöglich zu weit gegangen waren.
»Ich habe nur gemeint, daß du immer so nett zu allen bist und nie jemandem auf den Schlips treten willst. Und deshalb weiß eigentlich niemand, was du wirklich denkst«, erklärte Grania.
»Oder ob du dir überhaupt etwas denkst«, fügte Brigid finster hinzu.
»Wie war das mit dem Kind?« fragte Fiona.
»Nun, ich glaube, ich wollte sagen, daß eben jeder Mensch seine Entscheidungen selbst treffen muß. Sonst tun es andere für einen, und dann ist man wie ein Kind. Das ist alles, was ich damit sagen wollte.« Grania befürchtete, daß sie der netten, lieben Fiona zu nahe getreten war.
»Seltsam, du bist schon die zweite, von der ich das zu hören bekomme. Diese Suzi hat dasselbe gesagt, als ich sie gefragt habe, ob ich mir die Haare schneiden lassen soll. Wirklich erstaunlich.«
»Und nun, wie steht’s?« fragte Brigid.
»Wie steht was?«
»Ich meine, wirst du künftig deine eigenen Entscheidungen treffen, mit deinem Jungen schlafen, dir die Haare schneiden lassen, dir eigene Meinungen bilden?«
»Wirst
du
aufhören, wegen Kalorien herumzujammern?« entgegnete Fiona energisch.
»Ja, wenn es wirklich so sehr nervt.«
»Okay, einverstanden«, meinte Fiona.
Grania sagte, sie werde etwas beim Chinesen holen, wenn Fiona ihr versprach, sich schnell zu entscheiden, was sie haben wollte, und wenn Brigid kein Wort über fritiertes Essen verlor. Darauf erwiderten die beiden, wenn Grania sich einverstanden erklärte, am nächsten Tag ihren Vater zu besuchen, würden sie ihre Bedingungen akzeptieren.
Sie öffneten noch eine Flasche Wein und lachten, bis der alte Mann nach Hause kam und meinte, in seinem Alter brauche er seinen Schlaf, und deshalb werde er sie
Weitere Kostenlose Bücher