Die irische Signora
tausendmal schlimmer geworden.
Als Fiona zur Arbeit ging, sah sie ziemlich blaß und müde aus. Sie hatte aus ihrem Stapel T-Shirts das falsche ausgesucht, wodurch sie große Verwirrung stiftete. Die Leute wiesen sie ständig darauf hin, daß heute doch Freitag sei, andere meinten, sie habe sich wohl im Dunklen angezogen. Eine Frau, die auf Fionas T-Shirt »Montag« las, ließ ihren Untersuchungstermin platzen, weil sie dachte, sie sei am falschen Tag gekommen. Schließlich ging Fiona in den Toilettenraum und zog ihr T-Shirt verkehrt an, so daß der Aufdruck hinten stand. Jetzt durfte sie nur niemandem den Rücken zukehren.
Gegen Mittag kam Barry herein. »Miss Clarke, die Filialleiterin, hat mir ein paar Stunden freigegeben. Die ist wirklich nett. Sie ist auch im Italienischkurs, dort nenne ich sie Francesca und in der Arbeit Miss Clarke. Es ist zum Schreien.«
Allmählich hatte Fiona den Eindruck, daß halb Dublin unter einem falschen Namen in diesem Kurs saß. Doch es gab Wichtigeres, als neidvoll an all die Leute zu denken, die in dieser schäbigen Schule ihren kindischen Spielchen nachgingen. Sie mußte Barry über seine Mutter aushorchen, ohne ihn direkt darauf anzusprechen.
»Alles in Ordnung?«
»Nein, leider nicht. Meine Mutter will nicht nach Hause. Es geht ihr aber nicht mehr so schlecht, daß man sie hierbehalten müßte. Und deshalb wird man sie wohl in eine Nervenklinik einweisen.« Er schaute sehr düster und betrübt drein.
»O je.« Ihr Gesicht war von Schlafmangel und Sorgen gezeichnet.
»Na ja, ich werde es schon irgendwie überstehen. Aber was ich sagen wollte: Neulich habe ich doch gemeint, wenn wir das nächste Mal zusammen ausgehen, darfst du bestimmen, was wir unternehmen …«
Fiona geriet in Panik. Sie hatte sich noch gar nicht zu einer Entscheidung durchringen können. Mein Gott, wollte er sie zu allem Überfluß jetzt auch noch das fragen?
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was …«
»Nein, ich wollte sagen, daß wir es vielleicht ein bißchen verschieben müssen. Aber es liegt nicht daran, daß ich mit einer anderen gehe oder es vorhabe oder so …«, stammelte er hastig.
Da wußte Fiona, daß er sie tatsächlich gern hatte, und ihr fiel ein großer Stein vom Herzen. »Aber nein, um Himmels willen, ich verstehe das schon. Laß doch einfach was von dir hören, wenn die Dinge wieder einigermaßen im Lot sind.« Sie strahlte über das ganze Gesicht und vergaß die Leute, die auf ihren Tee oder Kaffee warteten.
Barry schenkte ihr ein ebenso breites Lächeln und ging.
Zwar lernte Fiona die Abseits-Regeln beim Fußball, doch es blieb ihr ein Rätsel, wie ein Spieler sichergehen konnte, daß immer ein Gegenspieler zwischen ihm und dem Tor war. Und das konnte ihr auch niemand zufriedenstellend beantworten.
Sie rief ihre Freundin Brigid Dunne an.
Brigids Vater meldete sich. »Oh, hallo. Gut, daß ich die Gelegenheit habe, mit dir zu reden, Fiona. Ich fürchte, ich war ziemlich unhöflich, als du letztes Mal bei uns warst. Das tut mir wirklich leid.«
»Schon in Ordnung, Mr. Dunne. Sie waren eben etwas durcheinander.«
»Ja, das stimmt, und ich bin es immer noch. Aber das ist kein Grund, sich schlecht gegenüber einem Gast zu benehmen. Ich bitte dich um Verzeihung.«
»Aber nein, wahrscheinlich hätte ich gar nicht erst kommen sollen.«
»Ich hole Brigid an den Apparat«, sagte er.
Brigid war in Hochstimmung. Sie hatte ein Kilo abgenommen und eine phantastische Jacke gefunden, in der man buchstäblich wie ein Strich in der Landschaft aussah, und demnächst würde sie kostenlos nach Prag fliegen. Da gab es keine gräßlichen FKK -Strände, wo man seine Leibesfülle nicht verbergen konnte.
»Und wie geht es Grania?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Heißt das, du hast sie noch nie besucht?« Fiona war entsetzt.
»Hey, das ist eine gute Idee! Gehen wir sie heute abend besuchen, schauen wir uns mal dieses Freudenhaus an. Vielleicht kriegen wir sogar den Tattergreis zu Gesicht.«
»Still, sag doch so was nicht. Dein Vater könnte dich hören.«
»Das sagt er doch selbst immer. Diese Ausdrücke stammen ja von ihm«, erwiderte Brigid ohne die geringste Reue.
Also vereinbarten sie einen Treffpunkt. Es werde bestimmt lustig, meinte Brigid. Fiona lag mehr daran, zu erfahren, wie es Grania ergangen war.
Grania öffnete die Tür. Sie trug Jeans und einen langen schwarzen Pulli und schien überrascht, die beiden zu sehen. »Ist das denn die Möglichkeit!« rief sie erfreut
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