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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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war er ausgerechnet in dieser Angelegenheit so halsstarrig? Konnte er ihr nicht das sagen, worüber sie sich freuen würde?
    Fionas glänzende Idee würde nicht funktionieren. Das stand für ihn außer Zweifel.
    »Na gut, Mam, dann versuche
ich
eben, etwas zu kochen. Das ist zwar nicht gerade meine Stärke, aber ich probiere es. Und zu Fiona sagen wir einfach, du hättest es gekocht. Schließlich soll sie ja nicht denken, du würdest sie nicht willkommen heißen.«
    »Ich koche selbst«, widersprach seine Mutter. »Du würdest doch nicht mal eine Mahlzeit für Cascarino zustande bringen.« Cascarino war ihr großer, einäugiger Kater. Man hatte ihn nach Tony Cascarino benannt, dem Fußballspieler der irischen Nationalmannschaft, obwohl der Kater ihm an Schnelligkeit weit unterlegen war.
    Fiona brachte Barrys Mutter eine Schachtel Pralinen mit.
    »Ach, das wäre aber nicht nötig gewesen, davon nehme ich nur zu«, sagte die Frau zu ihr. Sie sah blaß aus, hatte müde Augen und trug ein unscheinbares braunes Kleid. Ihre Haare waren glatt und glanzlos.
    Doch Fiona bedachte sie mit einem bewundernden Blick. »Aber Mrs. Healy, Sie sind doch gar nicht dick, Sie haben schöne Wangen, und an den Wangenknochen erkennt man, ob jemand zu Übergewicht neigt oder nicht«, meinte sie.
    Barry sah, wie sich seine Mutter etwas ungläubig über die Wangen strich. »Stimmt das wirklich?«
    »Natürlich, sehen Sie sich doch all die Filmstars mit den ausgeprägten Wangenknochen an …« Fröhlich zählten sie zusammen die Leinwandgrößen auf, die nie ein Pfund zulegten, die Audrey Hepburns, die Ava Gardners, die Meryl Streeps. Dann widmeten sie sich den sogenannten schönen Frauen, die keine auffallenden Wangenknochen hatten.
    So munter hatte Barry seine Mutter seit Wochen nicht erlebt. Dann hörte er Fiona sagen, Marilyn Monroe hätte ihr blühendes Aussehen bestimmt nicht ins Alter hinübergerettet, wenn sie es zugelassen hätte, überhaupt so alt zu werden. Barry wünschte, sie hätte das Gespräch nicht auf diese Frau gebracht, die Selbstmord begangen hatte.
    Doch seine Mutter griff das Thema ganz unbefangen auf. »Aber deshalb hat sie sich bestimmt nicht umgebracht, nicht wegen ihrer Wangenknochen.«
    Barry sah, wie Fiona errötete, doch sie gab nicht klein bei. »Nein, meiner Meinung nach hat sie es getan, weil sie glaubte, sie werde nicht genug geliebt. Was für ein Glück, daß wir nicht alle diese Konsequenz ziehen, sonst wäre die Menschheit längst ausgestorben.« Das sagte sie so beiläufig und leichthin, daß es Barry den Atem verschlug.
    Wider Erwarten antwortete seine Mutter in einem ganz normalen Ton: »Vielleicht hat sie gehofft, man würde sie rechtzeitig finden, und derjenige, den sie liebt, wäre furchtbar traurig.«
    »Ich würde eher sagen, er hätte dann endgültig die Nase voll gehabt von ihr«, erwiderte Fiona unbekümmert.
    Barry schaute Fiona voller Bewunderung an. Heute hatte sie viel mehr Esprit als sonst. Man konnte nicht genau sagen, was es war, aber sie schien nicht mehr darauf zu warten, daß er ihr jedesmal das Stichwort gab. Es war eine hervorragende Idee von ihr gewesen, auf dieser Einladung zu beharren. Unvorstellbar, daß ausgerechnet Fiona seiner Mutter sagte, sie habe schöne Wangen!
    Er hoffte zuversichtlich, daß der Abend weitaus weniger katastrophal verlaufen würde, als er befürchtet hatte. Etwas entspannter fragte er sich, worüber sie als nächstes sprechen würden, nachdem sie nun das Minenfeld »Marilyn Monroe« hinter sich gebracht hatten.
    In Gedanken ging Barry eine Reihe von Gesprächsthemen durch, doch keines schien geeignet. Fionas Arbeit im Krankenhaus war tabu, das würde alle an das Magenauspumpen und den Krankenhausaufenthalt erinnern. Andererseits konnte er auch nicht plötzlich anfangen, vom Italienischkurs, vom Supermarkt oder von seinem Motorrad zu reden, denn dann würden sie merken, daß er auf weniger verfängliche Themen auszuweichen versuchte. Natürlich konnte er seiner Mutter von Fionas T-Shirts erzählen, aber das würde ihr bestimmt nicht gefallen. Außerdem hatte Fiona für den Abend eigens ihre gute Jacke und eine hübsche pinkfarbene Bluse angezogen; also würde sie es vielleicht als herabwürdigend empfinden, wenn er davon anfing.
    In diesem Moment schlich der Kater herein und richtete sein eines Auge auf Fiona.
    »Darf ich dir Cascarino vorstellen?« meinte Barry, der über den Anblick des großen, bösartigen Katers noch nie so erfreut gewesen war wie

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