Die irische Signora
aus. »Kommt rein. Tony, wir kriegen gerade das erste Friedenszeichen.«
Lächelnd kam er ihnen entgegen, gutaussehend, aber ziemlich alt. Fiona fragte sich, was sich Grania von einer gemeinsamen Zukunft mit diesem Mann versprach.
»Meine Schwester Brigid, unsere Freundin Fiona.«
»Nur herein, ihr kommt genau im richtigen Moment. Ich wollte gerade eine Flasche Wein öffnen. Grania sagt, wir trinken zuviel, womit sie eigentlich nur mich meint … aber jetzt haben wir einen guten Anlaß.« Er führte sie in ein Zimmer mit Unmengen von Büchern, Kassetten und CD s. Aus den Lautsprechern erklang griechische Musik.
»Ist das dieser Sorbas-Tanz?« fragte Fiona.
»Nein, aber es stammt vom selben Komponisten. Magst du Theodorakis?« Er strahlte vor Freude darüber, daß er vielleicht jemanden gefunden hatte, der sich für die Musik seiner Generation begeisterte.
»Wen?« fragte Fiona, und sein Lächeln erstarb.
»Ihr wohnt hier ja recht nobel.« Brigid sah sich neidisch und bewundernd um.
»Ja, nicht wahr? Tony hat all diese Regale maßanfertigen lassen, von demselben Mann, der auch die Regale für Dad gebaut hat. Wie geht es ihm denn?«
»Ach ja, wie üblich«, lautete Brigids unbefriedigende Auskunft.
»Schreit er immer noch zetermordio?«
»Nein, er hat sich mehr aufs Jammern und Stöhnen verlegt.«
»Und Mam?«
»Du kennst doch Mam. Die merkt kaum, daß du nicht mehr da bist.«
»Vielen Dank. Du gibst mir wirklich das Gefühl, geliebt zu werden.«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
Fiona bemühte sich, den alten Mann in ein Gespräch zu verwickeln, damit er nicht all diese intimen Details über die Familie Dunne hörte. Aber wahrscheinlich kannte er sie ohnehin schon.
Tony schenkte jeder ein Glas Wein ein. »Ich freue mich wirklich über euren Besuch, aber ich muß in die Schule und noch was erledigen. Und ihr wollt euch bestimmt in Ruhe unterhalten, also lasse ich euch Mädchen besser allein.«
»Du kannst aber gern dableiben, Liebster.« Grania nannte ihn ganz unbefangen »Liebster«.
»Ich weiß, aber ich gehe trotzdem.« Er wandte sich an Brigid. »Und wenn du mit deinem Vater sprichst, dann sag ihm bitte … na ja … sag ihm …« Erwartungsvoll sah Brigid ihn an. Doch Tony O’Brien wollten nicht die richtigen Worte einfallen. »Sag ihm … es geht ihr gut«, meinte er barsch und ging.
»Tja«, sagte Brigid. »Was soll man davon halten?«
»Er macht eine schlimme Zeit durch«, antwortete Grania. »Wißt ihr, Dad schneidet ihn in der Schule, er redet nicht mit ihm und verläßt den Raum, wenn er hereinkommt. Tony hat dort einen schweren Stand. Und mir tut es weh, daß ich nicht nach Hause kann.«
»Kannst du denn nicht nach Hause zurück?« fragte Fiona.
»Nein, denn es würde eine Szene geben, und dann würde es wieder losgehen mit: ›Meine eigene Tochter bla bla bla‹.«
»Ich weiß nicht. Er ist inzwischen wieder etwas handsamer«, wandte Brigid ein. »Bei den ersten paar Besuchen würde er wahrscheinlich nur jammern und stöhnen, aber danach würde er sich vielleicht wieder beruhigen.«
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn er schlecht von Tony redet«, meinte Grania zweifelnd.
»Du meinst, wenn er seine dunkle Vergangenheit aufs Tapet bringt?« fragte Brigid.
»Ja, dabei bin ich schließlich auch kein Unschuldslamm mehr. Wenn ich in seinem Alter wäre, würde ich mir auch wünschen, daß ich in meinem Leben eine Menge Spaß gehabt habe. Ich bin nur noch nicht so alt.«
»Hast du’s gut. Du hast deinen Spaß gehabt …«, seufzte Fiona wehmütig.
»Ach, halt bloß die Klappe, Fiona. Du bist gertenschlank, du hast doch bestimmt Spaß bis zum Abwinken gehabt.«
»Ich hab’s noch nie mit einem gemacht. Ich habe noch mit keinem Mann geschlafen«, platzte Fiona heraus.
Das Interesse der Dunne-Schwestern war geweckt. Erwartungsvoll blickten sie sie an.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Brigid.
»Wieso gibt’s das nicht? Ich müßte es doch wissen, wenn was gewesen wäre. Es war aber nichts.«
»Warum denn nicht?« fragte Grania.
»Ich weiß nicht. Entweder waren sie zu betrunken oder haben sich unmöglich benommen, oder es war der falsche Ort, oder ich habe so lange gezögert, bis es zu spät war. Ihr kennt mich ja«, sagte sie voller Selbstmitleid und Bedauern. Grania und Brigid schienen um Worte verlegen. »Aber jetzt würde ich schon gern«, erklärte sie eifrig.
»Wie schade, daß wir den allzeit bereiten Sexbolzen haben ziehen lassen. Der hätte dir bestimmt den
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