Die irische Signora
verreist war. Sie fühlte sich diesen Menschen nicht überlegen, bloß weil sie mehr Geld hatte als sie. Ja, sie war nicht einmal versucht, sich einen Wagen zu mieten, was sie sich leicht hätte leisten können, oder die anderen zum Essen in ein Fünf-Sterne-Restaurant einzuladen. Ganz im Gegenteil. Sie freute sich darauf, die von der Signora und Aidan Dunne sorgfältig ausgearbeiteten Touren mitzumachen. Wie die anderen Kursteilnehmer hatte auch Connie bemerkt, daß deren Freundschaft weit über gemeinsame berufliche Interessen hinausging. So war auch niemand überrascht gewesen, daß Aidans Frau nicht mitfuhr.
»
Signor Dunne, telefono«,
rief Signora Buona Sera die Treppe hinauf.
Aidan riet Laddy gerade, daß er nicht
sofort
anbieten sollte, die Messingbeschläge und Klinken an den Türen zu putzen. Vielleicht sei es besser, noch ein paar Tage damit zu warten.
»Ob das wohl Ihre italienischen Freunde sind?« fragte Laddy neugierig.
»Nein, Lorenzo. Ich habe keine italienischen Freunde.«
»Aber Sie waren doch schon mal hier.«
»Das ist ein Vierteljahrhundert her. Keiner erinnert sich mehr an mich.«
»Ich habe Freunde hier«, erzählte Laddy stolz. »Und Bartolomeo auch, Leute, die er während der Fußballweltmeisterschaft kennengelernt hat.«
»Wie schön«, sagte Aidan. »Aber ich gehe jetzt besser mal runter und schau, wer denn nach
mir
verlangt.«
»Dad?«
»Brigid! Ist alles in Ordnung?«
»Klar doch. Und bei dir? Seid ihr alle heil an Ort und Stelle angekommen?«
»Ja, ohne Probleme. Und es ist ein wunderbarer Abend. Wir gehen nachher zur Piazza Navona und trinken dort etwas.«
»Prima. Das stelle ich mir klasse vor.«
»Ja. Aber sag mal, Brigid, ist etwas … ich meine …?«
»Wahrscheinlich hat es gar nichts zu bedeuten, Dad, aber da war schon zweimal eine ziemlich bescheuerte Frau hier, die unbedingt wissen wollte, in welchem Hotel ihr wohnt. Irgendwie hat mir das nicht gefallen. Sie macht den Eindruck, als sei sie nicht ganz normal.«
»Hat sie gesagt, warum sie es wissen will?«
»Nein, sie hat erwidert, das sei ja nun eine einfache Frage, und ich solle ihr jetzt bitte das Hotel nennen, sonst würde sie sich bei meinem Chef beschweren.«
»Was hast du getan?«
»Nun, Dad, ich hab gedacht, sie ist wahrscheinlich aus ’ner Klapsmühle entlaufen. Deshalb habe ich mich geweigert und gesagt, daß mein Vater dort wäre. Wenn sie also für jemanden eine Nachricht hätte, würde ich sie gerne übermitteln.«
»Dann ist ja alles in Ordnung.«
»Nein, leider nicht. Denn sie ist zum Chef gegangen und hat behauptet, daß sie dringend mit einem gewissen Mr. Dunne von der Mountainview-Gruppe in Kontakt treten müsse. Also hat er ihr das Hotel genannt und mir anschließend eine Standpauke gehalten.«
»Wenn sie meinen Namen weiß, muß sie mich wohl kennen.«
»Nein, ich hab gesehen, wie sie auf mein Namensschild gestarrt hat, und da steht ›Brigid Dunne‹ darauf. Na ja, jedenfalls wollte ich dir sagen …«
»Was, Brigid?«
»Na, daß sie irgendwie sonderbar ist und daß du aufpassen sollst.«
»Danke, Liebes. Vielen, vielen Dank, mein Schatz«, sagte er, und ihm fiel auf, daß er sie schon lange nicht mehr so genannt hatte.
Es war ein warmer Abend, als sie zu ihrem ersten Spaziergang durch Rom aufbrachen.
Zwar sahen sie ein paar Straßen weiter Santa Maria Maggiore, aber sie sparten sich die Kirchenbesichtigung für einen der nächsten Tage auf.
»Heute machen wir uns einfach nur einen netten Abend … wir gehen zu einem wunderschönen Platz und trinken dort etwas. Morgen befassen wir uns dann mit Kultur und Religion, und wer lieber irgendwo sitzen und Kaffee trinken will, kann das auch gerne tun.« Keinesfalls wollte die Signora das Gefühl aufkommen lassen, man würde gegängelt, aber sie sah es den Gesichtern der Kursteilnehmer an, daß sie gern ein bißchen an der Hand genommen wurden. »Was könnten wir wohl sagen, wenn wir zur Piazza Navona kommen und den wunderschönen Platz mit den Brunnen und Statuen sehen?« fragte sie und schaute in die Runde.
»
In questa piazza ci sono multi belli edifici!«
antworteten alle lauthals auf offener Straße.
»
Benissimo«,
lobte die Signora. »
Avanti
, laßt sie uns anschauen.«
Gemächlich zogen die zweiundvierzig Menschen los, während über Rom die Abenddämmerung hereinbrach.
Die Signora ging neben Aidan her. »Du hast einen Anruf bekommen? Irgendwelche Probleme?«
»Nein, nein. Es war nur Brigid, die wissen wollte,
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