Die irische Signora
Banknoten gebracht, wozu sich nicht viele Menschen auf der Welt, auch nicht in einer Stadt wie Dublin, verpflichtet gesehen hätten.
Während Aidan dastand und Laddys zitternde Schultern unter seinen Händen spürte, staunte er darüber, was für seltsame Wendungen das Leben doch manchmal nahm. Man stelle sich nur vor, er wäre tatsächlich Direktor des Mountainview College geworden, was er sich ja noch vor kurzem von Herzen gewünscht hatte! Nun wußte er, wie sehr ihm diese Aufgabe zuwider gewesen wäre, wieviel besser ein Mann wie Tony O’Brien auf diesen Posten paßte, der übrigens auch nicht der Teufel in Menschengestalt war, für den ihn Aidan noch kürzlich gehalten hatte, sondern ein tüchtiger Bursche, der eisern gegen seine Nikotinsucht ankämpfte und bald Aidans Schwiegersohn sein würde. Wäre es nach Aidans ursprünglichen Wünschen gegangen, würde er jetzt nicht in diesem luxuriösen römischen Stadthaus stehen, mit Aufzeichnungen für einen Vortrag über das Forum Romanum in der Tasche, und einen nervösen Nachtportier beruhigen, während er voller Stolz und Bewunderung dieser seltsamen Frau lauschte, die inzwischen soviel Raum in seinem Leben einnahm. Offenbar hatte sie Klarheit geschaffen, denn nun hellte sich die eben noch erboste und verkniffene Miene des Mannes auf.
»Lorenzo«, sagte Signor Garaldi und trat auf Laddy zu, der sich bei seinem Näherkommen ängstlich versteifte. »
Lorenzo, mio amico.«
Er küßte ihn auf beide Wangen.
Laddy war nicht nachtragend. »Signor Garaldi«, erwiderte er und packte den Mann bei den Schultern. »
Mio amico.«
Nach einigen knappen Erläuterungen war auch der Rest der Familie über den Sachverhalt aufgeklärt. Wein kam auf den Tisch, kleine italienische Kekse wurden gereicht.
Lorenzo strahlte übers ganze Gesicht. »
Giovedi«,
sagte er immer wieder glücklich.
»Warum sagt er das?« fragte Signor Garaldi, als er sein Glas hob und mit Lorenzo auf den Donnerstag anstieß, ohne zu wissen, warum.
»Ich habe ihm versprochen, daß wir uns am Donnerstag mit Ihnen in Verbindung setzen werden, weil ich verhindern wollte, daß er auf eigene Faust hierherkommt. Aber das habe ich in meinem Brief doch erklärt! Ich habe geschrieben, daß wir am Donnerstag auf zehn Minuten vorbeischauen würden. Haben Sie ihn nicht erhalten?«
Der kleine Mann wirkte beschämt. »Wissen Sie, ich bekomme so viele Bettelbriefe, und da habe ich gedacht, das sei auch einer davon. Er hätte ein bißchen Geld gekriegt, und das wär’s dann gewesen. Bitte entschuldigen Sie, aber ich habe das Schreiben nur kurz überflogen, es tut mir unsagbar leid.«
»Ich bitte Sie. Bloß … meinen Sie, daß er am Donnerstag kommen könnte? Er freut sich so darauf, und vielleicht könnte ich Sie beide zusammen fotografieren. Dann hätte er eine Erinnerung und könnte das Bild seinen Freunden zeigen.«
Signor Garaldi und seine Frau wechselten einen Blick. »Warum kommen Sie nicht mit Ihrem ganzen Kurs, und wir trinken zusammen etwas?« bot er an.
»Wir sind zweiundvierzig Personen«, gab die Signora zu bedenken.
»Diese Häuser sind für solche Gelegenheiten gebaut worden«, erwiderte er mit einer leichten Verbeugung.
Ein Chauffeur wurde gerufen, und kurz darauf fuhren sie quer durch Rom zum Lokal Catania zurück, in eine Straße, in die ein Wagen wie der der Garaldis nur sehr selten, wenn überhaupt je, kam. Die Signora und Aidan sahen sich an wie stolze Eltern, die es geschafft hatten, ihr Kind aus einer prekären Lage zu retten.
»Schade, daß meine Schwester mich jetzt nicht sehen kann«, sagte Laddy unvermittelt.
»Hätte sie sich gefreut?« erkundigte sich die Signora zartfühlend.
»Nun, sie wußte, daß es passieren würde. Wir waren mal bei einer Wahrsagerin, wissen Sie, und die hat gesagt, sie würde heiraten und ein Kind haben, aber jung sterben. Und ich würde ein guter Sportler werden und mal übers Meer reisen. Also wäre es für sie keine Überraschung gewesen. Trotzdem schade, daß sie es nicht mehr erleben kann.«
»Ja, das ist schade. Aber vielleicht sieht sie es ja von oben«, wollte Aidan ihn trösten.
»Mmh, ich bin nicht überzeugt davon, daß überhaupt jemand im Himmel ist, Mr. Dunne«, meinte Laddy, während ihre Limousine mit leisem Brummen Rom durchquerte.
»Wirklich nicht, Laddy? Ich bin mir von Tag zu Tag sicherer.«
Im Catania sangen gerade alle »Low Lie the Fields of Athenry«, und die Kellner standen bewundernd beisammen und klatschen ordentlich
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