Die irische Signora
sprechen, so habe ich ihm meine bewiesen. Es war meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß er sich nicht zum Narren macht, daß er sich nicht in eine aussichtslose Sache verrennt, sondern das bekommt, was ihm wirklich zusteht – eine neue Position, wo er Dinge selbständig entscheiden kann.«
»Oh, ich verstehe«, gab sie verächtlich zurück. »Er bekommt also seine Abendkurse als Trostpflaster.«
Tony O’Briens Stimme klang kühl. »Tja, wenn du es so sehen willst, kann ich wohl nichts daran ändern. Wenn du es nicht als das siehst, was es ist, als einen Durchbruch, eine Herausforderung, als den Anfang von etwas, was das Leben vieler Menschen, vor allem das deines Vaters, verändern kann – wenn du das nicht begreifst, dann tut es mir leid. Und es überrascht mich. Ich hätte dich für klüger gehalten.«
»Wir sind hier nicht im Klassenzimmer, Herr Lehrer. Und daß du jetzt den Geknickten spielst, läßt mich völlig kalt. Du hast mich und meinen Vater für dumm verkauft.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Er weiß nicht, daß du mit seiner Tochter geschlafen hast, daß du von seinen Hoffnungen auf diese Stelle erfahren und sie ihm weggeschnappt hast. Deshalb!«
»Und hast du ihm das alles erzählt, damit ihm leichter ums Herz wird?«
»Du weißt genau, daß ich das nicht getan habe. Aber was zwischen uns beiden war, spielt keine Rolle. Es war bloß ein Abenteuer für eine Nacht, sonst nichts.«
»Ich kann nur hoffen, daß du deine Meinung änderst, Grania, denn ich empfinde sehr, sehr viel für dich und möchte mit dir zusammensein.«
»Ja, ja.«
»Nichts ›ja, ja‹. Es ist die reine Wahrheit. Es mag dir komisch vorkommen, aber was mich an dir anzieht, ist nicht deine Jugend oder dein Äußeres. Ich habe viele junge und attraktive Freundinnen gehabt, und wenn ich Gesellschaft haben wollte, könnte ich bestimmt wieder eine finden. Aber du bist anders. Wenn du mich verläßt, ist das für mich ein sehr großer Verlust. Ob du es glaubst oder nicht, aber das ist es, was ich empfinde. Und das meine ich ernst.«
Diesmal schwieg sie. Eine Zeitlang sahen sie einander an, dann sagte Tony: »Dein Vater hat mich gebeten, mal vorbeizukommen und seine Familie kennenzulernen, aber ich habe gemeint, damit sollten wir noch bis September warten. Ich habe ihm gesagt, der September ist noch weit, und wer weiß, was bis dahin geschieht.« Sie zuckte die Achseln. »Dabei habe ich nicht an mich, sondern an dich gedacht. Entweder hast du dann immer noch eine Mordswut auf mich und bist an dem Tag, an dem ich vorbeikomme, einfach nicht da. Oder uns ist bis dahin beiden klar, daß wir uns wirklich lieben, und wir wissen, daß alles, was heute passiert ist, nur eine Verkettung unglücklicher Umstände war.«
Grania sagte nichts.
»Im September also«, fügte er hinzu.
»Gut.« Sie wandte sich zur Tür um.
»Ich überlasse es dir, ob du mit mir Kontakt aufnehmen willst, Grania. Ich warte auf dich, und ich würde dich sehr gern wiedersehen. Wir müssen nicht einmal ein Liebespaar sein, wenn du das nicht möchtest. Wärst du nur ein Abenteuer für mich gewesen, wäre ich froh, dich loszusein. Wenn ich nicht diese tiefen Gefühle für dich hätte, würde ich mir sagen, daß das Ganze wohl zu kompliziert ist und wir am besten Schluß machen sollten. Aber ich werde warten und die Hoffnung nicht aufgeben, daß du zu mir zurückkehrst.«
Sie wirkte noch immer unversöhnlich und ärgerlich. »Natürlich mit telefonischer Voranmeldung, falls du gerade Gesellschaft hast, wie du es nennst«, bemerkte sie.
»Ich werde keine derartige Gesellschaft haben, bis du zu mir zurückkehrst«, erwiderte er.
Sie machte eine abwehrende Geste. »Ich glaube nicht, daß das der Fall sein wird.«
»Nun, lassen wir es einfach offen«, meinte er mit einem freundlichen Lächeln. Er stand an der Tür, während sie die Straße hinunterging, die Hände in den Taschen vergraben, den Kopf gesenkt. Sie wirkte so einsam und verloren. Am liebsten wäre er ihr nachgelaufen und hätte sie zurückgeholt, doch es war noch zu früh.
Dabei hatte er nur getan, was er tun mußte. Es hätte für sie beide keine gemeinsame Zukunft gegeben, wenn er Aidan im dunkeln gelassen und Grania verraten hätte, was ihr Vater noch nicht wußte. Er überlegte, wie die Chancen standen, daß sie zu ihm zurückkam. Fünfzig zu fünfzig, vermutete er.
Womit die Aussichten wesentlich besser waren als bei den Abendkursen. Auf den Erfolg der Kurse konnte kein halbwegs vernünftiger
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