Die irische Wildkatze
begann, kam das Theater dabei nicht vor. Stattdessen träumte sie vom Essen.
Vor ihr ausgehreitet lag eine Vielfalt von köstlichen Speisen, hei deren Anblick ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Es gab große Platten mit geröstetem Geflügel, geschmortem Lamm und überbackenem Lachs. Fleischaufläufe mit leichter Kruste standen neben Yorkshire Pudding, Eiercremes und warmem, knusprigem Brot. Die Nachspeisen raubten ihr den Atem. Prächtige Torten und Gebäck rivalisierten mit Bergen von rotbackigen Äpfeln und Schüsseln mit Erdbeeren und Sahne. Das Problem war nur: Die Speisen gehörten John, dem dunklen, gefährlichen Mann, dem sie am Fluss begegnet war. Er deutete auf die Speisen. »Warum teilt Ihr nicht mit mir?«, fragte er einladend.
Sie betrachtete sehnsüchtig das Essen, schaute dann zögernd den dunklen, attraktiven Mann an und fragte sich, ob sie ihm wohl trauen könne. Schließlich waren ihr Hunger und die Versuchung zu groß. »Es wäre mir ein Vergnügen.« Und das war es auch wirklich. Er bestand darauf, sie eigenhändig zu füttern, und sie genoss jeden Bissen, als wäre er Ambrosia von den Göttern. Während er sie fütterte, verschwand Elizabeths Angst vor ihm, und sie begann, sich seiner Gesellschaft ebenso sehr zu erfreuen wie seiner Speisen. Sie leckte sich die Lippen, dannfass-te sie ihren ganzen Mut zusammen und leckte voller Wagemut auch seine Finger ab.
2
Am folgenden Tag wurde Elizabeth Gunning dauernd von ihrer Mutter mit irgendwelchen Aufgaben beschäftigt, während John Campbell sich am Ufer des lachsreichen Flusses Duck herumtrieb. Beth musste von der Brigidsquelle beim Holywell House Wasser holen und dann das silberblonde Haar ihrer Schwester waschen. Danach saßen sie in der Sonne, während Elizabeth mit den Fingern die Löckchen zu-rechtzupfte und um das vollendete ovale Gesicht ihrer Schwester ordnete.
Bridget stopfte die einzigen Strümpfe der Mädchen und begann dann, die Säume an ihren Baumwollkleidern herauszulassen. In Dublin durften sie nicht die Knöchel sehen lassen, das würde einen Skandal herbeiführen.
»Ich gehe hinüber zur Longacre Farm und frage Tully, ob er nicht die Ziegen kaufen will«, sagte Jack.
Seine Frau warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wir brauchen ein Fahrzeug, um nach Dublin zu gelangen. Komm nicht ohne nach Hause.«
Als Beth sah, wie ihr Vater'die sechs Ziegen mit einem Strick zusammenband, klopfte ihr Herz schwer. »Wohin bringst du sie denn?«
»Ich werde Tully fragen, ob er sie kaufen will.«
Sie war erleichtert. Longacre war ein wohlhabender Hof, und Tully versorgte die Tiere dort gut. »Ich werde dir helfen, Vater. Ich trage das Kleine.« Sie nahm das kleine schwarze Zicklein und küsste es auf die Nasenspitze. Als es geboren wurde, war sie die ganze Nacht bei seiner Mutter geblieben, um sicherzugehen, dass die Geburt gut verlief. Dann hatte sie es nach den leuchtenden Blumen in der Wiese Butterblume genannt.
In Longacre überließ sie die Männer ihren Geschäftsverhandlungen und ging in die Scheune. In einer Ecke fand sie eine Schäferhündin mit einem Wurf schwarzweißer Welpen. Sie streichelte die Hündin und erzählte ihr, was für eine gute Mutter sie wäre, dabei wünschte sie sich von ganzem Herzen, sie könnte einen von den Welpen haben. Sie wusste, dass das unmöglich war, denn die Gunnings hatten gerade genug, um sich selbst zu ernähren. Mit einem resignierten Seufzer riss sie sich von der fröhlichen kleinen Familie los und ging zurück in den Hof vor dem Stall.
»Ich habe mit ihm vereinbart, dass wir als Gegenleistung für die Ziegen einen Wagen mit Rüben bekommen. Das Maultier werden wir natürlich zurückgeben müssen, aber die Rüben können wir in Dublin verkaufen.«
»Na ja, ein Wagen mit Maultier ist doch genau das, was wir brauchen, wir können ja nicht nach Dublin laufen ... Da sind die Rüben ein zusätzliches Geschäft.« Sie hoffte nur, dass ihre Mutter nicht schimpfen würde, wenn sie nach Hause kamen.
»Das Problem ist nur«, sagte Jack und strich sich mit einer Hand durch das dichte blonde Haar, »dass die Rüben noch auf dem Acker sind.«
»Ich helfe dir, Paps.« Sofort flocht sie sich ihr dichtes, goldenes Haar zu einem Zopf. »Rüben sind dick und rund, wir werden nicht so schrecklich viele brauchen, um den Karren zu füllen. Geh du und hol Wagen und Maultier. Ich gehe zum Acker und fange schon einmal an, Rüben auszumachen.«
Es stellte sich heraus, dass es schmutzige, harte Arbeit war.
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