Die irische Wildkatze
bekam, was er wollte, vielleicht selbst dann nicht. Die Schauspielerin in ihr übernahm die Regie. Ihre Augen weiteten sich voller Ernst und glänzten von Tränen. »Ich hatte Euch irrtümlich für einen Gentleman gehalten. Ich hatte mir eingebildet, Ihr wäret ein Mann von Ehre und Anstand.«
Verdammt, sein neckender Charme war ihr völlig egal. »Ich bin ein Ehrenmann. Ich werde dir nicht wehtun, Beth.«
»Dann gebt mir Euer Ehrenwort, dass Ihr mich gehen lassen werdet.«
Er zögerte einen Augenblick und sah auf sie herab. Die Spannung zwischen ihnen wuchs spürbar, Er stellte sich vor, dass sie ganz nackt war, sah sie innerlich aus dem Wasser steigen wie die Venus von Botticelli. Dann stellte er sich vor, wie sie nackt neben ihm im Gras lag. Der Gedanke an ihre zarte, schlanke Gestalt war unwiderstehlich für ihn. Er war von dem hungrigen Verlangen erfüllt, sie zu berühren, ihren Duft zu riechen, sie zu kosten. Was war das nur für eine Faszination für sie, die er empfand? »Nach dem Kuss«, begann er zu handeln.
»Also gut«, erklärte sie sich mit mattem Widerwillen einverstanden.
Er ließ ihre Handgelenke los und umfasste ihre bloßen Schultern. Als er sie zu sich herzog, spürte er, wie sie zitterte, sah die ängstlichen Tränen in ihren Augen. Eine plötzliche Welle von Zweifel überrollte ihn, als er zu begreifen begann, dass seine Wassernymphe womöglich genauso süß und jungfräulich war, wie sie aussah. Obwohl das Begehren, sie zu besitzen, heiß in seinen Adern rauschte, begann sein Beschützerdrang einen Kampf mit seiner Lust und gewann.
Er sah hinab in ihr wunderschönes Gesicht und konnte den Gedanken nicht ertragen, ihre Unschuld zu verletzen. Er berührte ihre Lippen mit den seinen in einem keuschen, zärtlichen Kuss, der ihm den Atem nahm. Er war so kurz und zart wie die Berührung eines Schmetterlingsflügels, und doch wirkte er auf ihn wie ein Schlag gegen den Solarplexus. Benommen hob er die Hände von ihren Schultern. »Geh. Schnell, geh«, befahl er ihr.
Bis Elizabeth schließlich zu Hause ankam, war es schon fast dunkel. Sie hatte das Abendessen und den heftigen Streit verpasst, der zwischen ihren Eltern wegen des Wagens mit den Rüben ausgebrochen war, und darüber war sie unglaublich dankbar. Sie würde lieber alles andere aushalten, als dem glühenden Ärger ihrer Mutter ausgesetzt zu sein.
Bevor sie ins Bett ging, half sie ihrem Vater die Theatertruhe mit den alten Kostümen, Perücken, Masken und der Schminke zu packen, die sich über die Jahre bei ihnen angesammelt hatten. Die kleine irische Harfe wickelte sie in einen schäbigen Samtumhang, legte die beiden Degen in ihren ledernen Scheiden sorgfältig obenauf und band die Truhe sicher mit einem Seil zu.
Im Schlafzimmer, das sie mit Maria teilte, half sie ihrer Schwester, ihre Reisetasche zu packen und packte dann ihre eigene. Sie hatten beide ein Baumwollkleid, ein Unterkleid aus gebleichten Mehlsäcken, ein Paar schwarzer Strümpfe, ein zusätzliches Paar Schlüpfer und einen .wollenen Umhang. Gemeinsam hatten sie eine Haarbürste, ein Flanellhandtuch und ein Stück Seife.
Maria stieg in ihr Bett und zog die Steppdecke hoch. »Heute Abend hast du eine wahrhaft königliche Schlacht verpasst. Vater hat ihr standgehalten, bis sie ihn >Jack und die Blöde Bohnenstange< nannte!«
»Bitte sprich nicht weiter davon, ich fühle mich deswegen ganz elend. Ich hoffe, dass Mutter bis morgen früh nicht mehr verärgert ist.«
»Wird sie bestimmt nicht sein. Paps hat da so seine Methoden, wenn er mit ihr ins Bett geht und sie dort besänftigt. Ach, Beth, ich kann es kaum erwarten, wieder in Dublin zu sein, ich habe die Stadt seit Jahren nicht mehr gesehen.«
Beth blies die Talgkerze aus und zog ihr Kittelkleid aus, das immer noch ganz nass von der Wäsche war, bei der sie versucht hatte, den Schlamm daraus zu entfernen. Sie breitete es über die Lehne eines Stuhls und schlüpfte dann mit einer Gänsehaut ins Bett, wobei sie sich Mühe gab, nicht zu schaudern.
»Bei deinem Zittern wackelt ja das Bett«, beschwerte sich Maria.
»Entschuldige. Ich werde versuchen, an etwas Warmes zu denken.« Im selben Augenblick, als sie diese Worte aussprach, sah sie klar und deutlich das Bild des dunklen Mannes vor sich, dem sie an den letzten beiden Tagen begegnet war. Sie stellte sich seine muskulöse Brust und das wellige schwarze Haar vor, das ihm bis auf die breiten Schultern reichte, und es wurde ihr reichlich heiß. Dann erinnerte sie
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