Die irre Heldentour des Billy Lynn
den Jahrgangsbesten. Auch alles gut. Verlobt sich mit einem Typen, der ist drei Jahre älter und macht gerade seinen Master in BWL, Typ verkniffenes Weichei und wahnsinnig von sich eingenommen, trotzdem weiter alles gut, also fast alles, irgendwie, insgeheim hasst Billy den Kerl. Dann fährt Kathryn eines verregneten Maimorgens am Ende des zweiten Studienjahrs zur Arbeit, sie jobbt bei der Blinn Versicherung am Empfangsschalter und als Praktikantin bei den hauseigenen Börsenmaklern, noch immer alles gut, bis auf dem Camp Bowie Boulevard ein Mercedes wegen Aquaplaning ins Schleudern kommt und ihr in einer rasanten Drehung die ganze Autoseite aufschlitzt, das riesengroße dunkle Etwas rotiert auf sie zuwie eine Windmühle, aber in Kathryns Kopf setzt sich vor allem dieses Geräusch fest, ein kurbelndes, strudelndes Wumpf-wumpf-wumpf , als ob der Todesengel mit den Flügeln schlägt. Danach weiß sie nur noch, dass sie platt auf dem Rücken liegt und drei vergrimmelte Mexikaner mit einem Pappschild über ihr hängen und sie gegen den Regen abzuschirmen versuchen. An der Stelle fängt Kathryn immer an zu weinen. Darüber kann sie bis heute nicht sprechen, ohne in Tränen auszubrechen, wenn sie die drei Männer beschreibt, wie die sich über sie gebeugt hatten, zu Tode erschrocken, mit weit aufgerissenen Augen und klitschnassen Sachen, wie sie auf Spanisch geflüstert und wie behutsam sie die Pappe gehalten hatten, fast wie eine Opfergabe.
Hab nicht mal Danke gesagt, sagt Kathryn dann immer. Hab bloß da gelegen und hochgeguckt, reden ging nicht. Selbst nach Ansicht sämtlicher Ärzte hätte sie lieber tot sein sollen. Das Becken und ein Bein gebrochen, die Milz gerissen, die Lunge kollabiert, massive innere Blutungen, später die komplizierte, filigrane Flickerei an Gesicht und Rücken, hundertsiebzig Stiche unterhalb des Halses, dreiundsechzig oberhalb. Sie kommen wieder auf die Beine, erzählt ihr der plastische Chirurg am Tag danach. Dauert vielleicht ein paar Jahre, aber wir kriegen Sie wieder hin, so was mache ich jeden Tag. Das Weichei dagegen kriegt gar nichts hin. Der kommt drei Wochen nach dem Unfall nach Stovall und löst die Verlobung, woraufhin die sanfte Kathryn ihm den Verlobungsring regelrecht ins Gesicht rammt , mit voller Wucht, so, wie man eine Spinne oder eine Schnecke zermatscht, die einem über die Hand krabbelt. Billy dagegen hatte sich zu einem tatkräftigeren Gegenschlag berufen gefühlt. Die Ehre seiner Schwester, seiner Familie, der gottverdammte menschliche Grundanstand und sonst dergleichen standen ernsthaft auf dem Spiel. Also war er nach Fort Worth gefahren, hatte den Weichei-Saab vor der Weichei-Eigentumswohnung geortet und sichdarangemacht, besagtes Fahrzeug in einen Schrotthaufen umzugestalten und in Einzelteile zu zerlegen, und zwar mithilfe eines unterwegs schnell noch gekauften True-Value-Brecheisens. Als er auf das Wagendach gestiegen war und zum ersten Schlag in die Windschutzscheibe ausholte, kam eine heilige Ruhe über ihn. Er hatte eine Arbeit zu erledigen, so empfand er diesen Moment, und er war fest entschlossen, diesmal, nach den langen aufreibenden Jugendjahren, in denen er im Dauerkonflikt mit Autoritäten gelegen und jede Menge Scheiß gebaut hatte, alles richtig zu machen. Ganz in Ruhe und nach reiflicher Überlegung, wohin er zielen wollte, holte er aus. Die Arbeit tat richtig gut. Seine Konzentration war nicht einmal vom Kreischen der Alarmanlage zu erschüttern. Schon lange hatte sich in ihm das Gefühl aufgebaut, dass irgendetwas Drastisches geschehen musste, und jetzt war es so weit.
Er war nur noch zwei Wochen vom Highschoolabschluss entfernt. Nach etlichen Sitzungen und viel amtlichem Hin und Her hatte die Schulleitung verfügt, ihm das Abschlusszeugnis per Post zuzustellen. Einen walk , den traditionellen Gang quer über die Bühne zur Zeugnisüberreichung, würde es für Billy nicht geben. »Sie kriegen hier keine Bühne«, hatte der Schulvorstandsleiter im finstersten, dräuendsten Kirchenbannton verkündet, und Billy zerriss es fast den Kehlkopf, so mühsam musste er sich das Lachen verkneifen. Als ob ihn das einen Fliegenschiss interessierte! Oooch, ich darf nicht zum walk ? Oooch, da ist ja mein Leben zu Ende! Billy vor dem Knast zu bewahren, hatte den Anwalt, der den Kompromiss mit der Schulleitung eingefädelt hatte, dann weitaus mehr Mühe gekostet. Der Vandalismus am Saab war noch das kleinere Problem, Billy hatte den Schlappsch... obendrein über den
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