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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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clever, er strahlte im Gegenteil etwas Trostloses aus, eine hoffnungslose Schäbigkeit. Am Thanksgiving Day, wenn Billy mit ein paar der reichsten Texaner im Stadion der Dallas Cowboys herumscharwenzelt, wird ihm Mr Whaley wieder deutlich vor Augen stehen. Für solche Leute sind die Mr Whaleys dieser Welt bloß Tagelöhner, so wie Billy bloß ein Tagelöhner in Mr Whaleys Welt ist, und das ergibt als Gesamtbild, dass Billy sich auf etwa demselben Niveau befindet wie ein einzelliges Protozoon in einem breiten Strom, der sich in die unermesslichen Tiefen des Meeres ergießt. Er hat öfter solche existenziellen Krämpfe in letzter Zeit, Anfälle von Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit, die ganz zufällig kommen und ihn ins Grübeln bringen, ob es wirklich wichtig ist, wie er sein Leben lebt. Und wenn er sich einfach selbst auswildertund mit Rauben-Plündern-Brandschatzen durchschlägt, anstatt sich an den Moralkodex zu halten? Bisher hält er sich noch daran, aber er fragt sich, ob er das vielleicht nur tut, weil es leichter ist, weil es weniger Energie und Mumm verlangt. Vielleicht war ja das Kühnste, was er je getan hatte – und womit er sich selbst am meisten treu geblieben war –, die ekstatische Zertrümmerung des Weichei’schen Saabs? Vielleicht waren seine Taten am Ufer des Al-Ansakar-Kanals bloß eine Abschweifung von der Hauptstraße seines Lebens.
    Mr Whaley ging. Kathryn kam nicht zum Mittagessen. Danach hielten Ray und Brian Mittagsschlaf, Denise und Patty gingen einkaufen, und Billy entspannte sich mit einer Runde Wichsen auf feindfreiem Gebiet, in seinem Zimmer. Hinterher ging er wieder in den Garten und legte sich in die Sonne. Er döste auf der Decke ein. Träume kamen und gingen wie Fischschwärme im Ruderhaus eines alten Wracks. Er wurde kurz wach, zog sich das Hemd aus, damit ihm die Sonne die Pickel auf der Brust wegbrutzeln konnte, und döste wieder ein. Jetzt träumte er Paisleymuster, große wirbelnde biomorph-bunte Atompilze, die sich gleich danach in eine Parade auflösten. Seine Parade. Er war gleichzeitig mittendrin und sah von weiter oben zu, und er war glücklich und sicher, er hat es zurück nach Hause geschafft. Alles in Ordnung! Es war ein sonniger Wintertag, und alle waren dick eingepackt außer den Stripperinnen, die auf Flößen vorbeiglitten, splitternackt bis auf Tangas und lange Abendhandschuhe. Eine Highschoolband marschierte vorbei, die Posaunen und Trompeten blitzten in der Sonne, und plötzlich war Shroom da, weit hinten, sein bleicher Zwiebelkopf ragte heraus aus der großen Masse. Jetzt sah er Billy in die Augen, lachte, hob einen Riesenbecher Budweiser Light zum Gruß. Heh, Shroom! Shroom! Schaff deinen Arsch hierher! Er brüllte immer wieder, Shroom solle zu ihm aufs Floß kommen, aber Shroom schien glücklichda, wo er war, zufrieden damit, einfach irgendein Gesicht in der Menge zu sein. Shroom. Scheiße. Komm rauf hier, Mann. Es gab im Traum auch das Wissen darum, dass Shroom tot war, und damit die große Angst, eine Chance zu verpassen, während die Parade weiterwogte und Billys Floß mit sich zog, der alberne Pappkahn glitt einfach weiter auf dem Fluss des Lebens, und die Ufer waren gesäumt von Tausenden jubelnder Menschen, die – lieber Herr Jesus! ein beängstigender Gedanke! –, waren die alle tot wie Shroom?
    Der Traum brach ab mit einem panischen Pochen, einem verzweifelten Satz zurück ins Wachsein. Jemand hing über ihm, atmete ihm ins Gesicht. Er blinzelte mit einem Auge und sah Kathryn, die ihn durch eine Sonnenbrille im Angelina Jolie-Format anstarrte.
    »Sei bloß vorsichtig da drüben«, murmelte sie düster. »Wenn dir irgendwas passiert, bring ich mich um.«
    Puh. Er klappte beide Augen auf, hob den Kopf. Seine Schwester lag neben ihm auf einem Badelaken, auf einen Ellbogen gestützt, zu ihm gedreht. Sie trug außerdem, und zwar unübersehbar, einen Bikini, bei dessen Anblick es ihm die Lunge zerfetzte, und wenn sie hundertmal seine Schwester war. Sie war trotz der Kerbe in der Wange ein unbestreitbar heißer Feger: die langen Beine sonnenverwöhnt, der Vorbau üppig und taktil, der Bauch flach, und alles zusammen goldbraun wie der ideale Pfannkuchen.
    »Warum das denn?«
    »Weil du meinetwegen da drüben bist.«
    »Ach ja, stimmt.« Er schloss die Augen und ließ den Kopf wieder sinken. »War ja deine Schuld, dass dieser Mercedes dich umgenietet hat. Dass dieser Wiehießernoch dich sitzengelassen hat, klar, vielen Dank. Danke, dass du mir die Scheiße

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