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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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Designerkostüm, Schuhe und Handtasche passend, aber ein paar von der hipperen Fraktion liegen auch schon voll im diesjährigen Wintertrend, mit hautengen Lederhosen und langen Pelzmänteln. Es könnte ebenso gut ein Gottesdienst der reichsten Gemeinde am Ort sein, in der Kirche Unserer Anorektischen Lieben Frau von den Gehobenen Nuttenklunkern, die einzigen Nichtweißen hier sind die Kellnerbrigade und ein paar anhängliche ehemalige Spieler, Lieblinge der Fans von vorgestern, die ihr Geld klug angelegt und ihre Näschen sauber gehalten haben. Billy und Mango ahnen, bei diesem Edel-Event sind feinste Manieren gefragt, aber sie sind dank Hectors Eins-A-Kraut auf dem besten Weg, ihre eigenen zu vergessen. Es ist praktisch ein Unding, hier nicht in schallendes Gelächterauszubrechen, und kein Mensch weiß, wo das endet, wenn es einmal losgegangen ist. Ein lispelnder ältlicher Pastor hat sie fast so weit, eine Dame mit einer Frisur wie ein explodierter Pudel danach auch. Die beiden Bravos sind in diesem gefährlichen Zustand bedröhnter Paranoia, in dem ihnen alle Welt ansehen kann, dass sie einen durchgezogen haben, und das ist gleichzeitig beängstigend und einfach das Allerkomischste überhaupt.
    »Cool bleiben« , wispern sie sich zu, kichernd wie gestörte Asthmatiker. Denk an was Grauenhaftes – Analbluten, sprotzende Brustwunden, aus der Nase hängende Bandwürmer.
    »Okay, wie seh ich aus?«
    »Beschissen.«
    Sie zischen aus den Mundwinkeln.
    »Und jetzt?«
    »Immer noch beschissen.«
    Billy verpasst Mango hinterrücks einen Tritt, Mango haut Billy kurz in die Rippen, dann packen sie sich verstohlen gegenseitig an den Handgelenken, bis Dime sie kurz anguckt. Dimes Blick fühlt sich an wie mit Highspeed aus der Bahn fliegen, wie ein Iiiiachhuuuh! unter ein paar heftigen Gs Schwerkraft, dazu kommt die Ahnung, dass das wahrscheinlich gleich böse endet, aber Norm & Co drängen zur großen Begrüßungsrede, es ist ernsthaft Zeit, sich zu fangen und Haltung anzunehmen.
    Norm. Selbdritt in Fleisch und Blut. Das Leben besteht ja zum größten Teil aus Trägheit und Treibenlassen, und falls doch mal ein Tag einen kleinen würzigen oder sauren Geschmack haben sollte, schliert der meistens einfach so hinüber in den nächsten Tag, und alles ist doch wieder nur ein einziger geschmacksfreier Wattebausch. Es gibt so wenige Momente, die man mit dem Satz beschreiben kann: Ja, das war ein historischer Tag, da ist etwas Großes passiert, aber das hier ist ganz offensichtlich so ein Moment, denn Fotografen und Kameraleute folgen Norm aufSchritt und Tritt. Norm strahlt, was nicht heißen soll, dass er gut aussieht, er flimmert vielmehr vor lauter Prominenz in höchster Wattzahl, und das macht die Sache problematisch, weil das Hirn immer darum ringt, die mediale und die reale Version eines Menschen in Übereinstimmung zu bringen, der echte wirkt vielleicht größer als das vorgefertigte Kopfbild, oder auch breiter, älter, rosaroter, jünger, auf eine irgendwie entscheidende Weise sind beide Versionen nicht deckungsgleich, weshalb alles etwas irreal wird, und überhaupt dreht Billy demnächst durch. Er hat zwar sogar dem Präsidenten schon persönlich gegenübergestanden, aber das hier ist eine Nummer heftiger, falls es so was wie Messwerte für Nerven gibt, ist das hier ein größerer Angriff auf seine wackelige Selbstdefinition. Die Begegnung mit berühmten Leuten ist eine heikle Sache. Wird er bei der, die jetzt ansteht, an Statur gewinnen? Bestätigt werden? Klein gemacht? Gestern hatte er Dime gefragt: Was sag ich denn zu dem? Dime hatte geschnaubt. Du brauchst keinen Furz zu sagen, das Reden erledigt Norm ganz alleine. Sag einfach Ja, Sir und Nein, Sir und lach, wenn er einen Witz macht, mehr muss nicht sein.
    Norm schreitet die Empfangsreihe ab. Als er bei ihm ankommt, ist Billy der Ohnmacht nahe. »Specialist Lynn«, sagt Norm und nimmt sich Zeit, den jungen Soldaten wohlwollend von Kopf bis Fuß zu mustern, »hab mich drauf gefreut, Sie kennenzulernen«, und Billy hat das Gefühl, frei schwebend auf einer Schaumschicht aus weiß glühenden Videolampen und stechenden Kamerablitzen hinaufgetragen zu werden, einer Art Fototermin-Gewitter in Baiserform, und weil er bedröhnt ist, fühlt sich das an, als ob alles in Zeitlupe auf ihn zuhuscht. Norm packt krachend seine Hand, jau , wie ein echtes Alphatier – Kumpel, erst mal Bein hoch und mit’nem kräftigen Strahl das Revier markiert! Stolz , sagt er, aber wie bei einem zu

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