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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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ihn und Ray geben, aber was er stattdessen bekommen hatte, war ein wortloser Riesenarschtritt von historischen Ausmaßen. Wie Ray ihm den verpasst hatte, wird Billy nie genau begreifen, er war wohl vor allem mit den Augen erfolgt, mit der kühlen, abschätzigen Schärfe in dem kleinen Seitenblick, dem kürzesten aller Blicke aus einem vorbeibretternden Rollstuhl. Für Billy war dieser Augenblick die totale massive Zurückweisung, und am brauchbarsten beschreiben ließ sie sich mit den Worten, mit denen ihn sein Vater immer zurückgewiesen hatte: Das hier ist nichts für dich. Du bist nicht dabei, du gehörst nicht dazu. Ray behielt Den Moment allein für sich; er legte sich, wann immer es ihm gefiel, ins Zeug, damit Brian ihn liebte, aber von den anderen befand er niemanden auch nur der kleinsten Anstrengung wert.
    Letzten Endes war das nur ein weiterer Beweis, dass man ohne eigene Strategie eine offen herumhängende dicke fette Zielscheibe blieb, ein Köder in diesem Haifischbecken namens Familiendynamik. Beim Abendessen wütete wieder O’Reilly im Fernsehen, zankten sich Denise und die Schwestern über den Hauskredit, war Brian so müde, dass er sich wie ein kleines Arschloch aufführte, war der Braten zu lange im Ofen gewesen, rauchte Ray eine nach der anderen, bekam Denise einen Weinkrampf, weil siealles so gern perfekt gehabt hätte und das natürlich nicht ging. Mom, sagte Billy lachend, legte den Arm um sie und entdeckte ein Reservoir heiterer Gelassenheit in sich, von dem er gar nichts gewusst hatte, Mom, nimm’s dir doch nicht so zu Herzen. Ich bin glücklich. Ich bin zu Hause. Alles ist gut. Erstaunlicherweise schien das tatsächlich zu helfen. Seine Mutter beruhigte sich. Brian schlief bald darauf in seinem Kinderstühlchen ein. Patty und Kathryn kicherten nur noch und machten die nächste Flasche Wein auf, und Billy hatte das Gefühl, gar nicht erst neunzehn, sondern mit einer Weisheit weit über sein Alter hinaus gesegnet zu sein. Hatte das auch der Krieg bewirkt? Wenn über Krieg geredet wurde, ging es immer nur darum, wie er einen kaputt machte, das stimmte ja auch, war aber vielleicht nicht die ganze Wahrheit. An diesem Abend taumelte Billy angeschickert von Wein und Schokoladentorte ins Bett und schloss die Augen mit dem zufriedenen Gefühl, dass die Katastrophe abgewendet und etwas ganz Wichtiges gerettet werden konnte. So etwas wie Perfektion gab es überhaupt nicht, aber es gab Momente, die so extrem transparent waren, dass man sich selbst vergaß, eine heilige Gnade, falls es die denn gab.
    Morgen früh um sieben würde eine Limousine vor der Tür stehen, mit freundlicher Unterstützung irgendeines wohlhabenden Patrioten, der entweder lieber anonym blieb oder einen Namen hatte, den Billy nicht mehr wusste. Eine Limousine. Extra für ihn. Egal. Er schlief schlecht, beim Aufwachen hatte er einen Kater und einen alle Proportionen sprengenden faulig-dreckigen Kupferpelz von zu viel Wein im Mund. Er kannte den Geschmack, er wusste auch, was er bedeutete – Angst, Ekel und schlechtes Karma außerhalb der Basis –, aber er war kaltblütig genug, sich noch einmal einen runterzuholen, das letzte Mal hier auf friedlichem Gelände, und der Akt hatte eine geradezu komödiantische Bedeutungsschwere, aus dem Abschiedsschuss wurde quasi das historischePendant zu Troy Aikmans letztem Spiel im Texas Stadium. Leute, er ist an der Vierzig! An der Dreißig! Das wird vielleicht’n Durchmarsch! Zwanzig! Zehn! Fünf! Und ... Touchdown! Bestens erfrischt ging Billy unter die Dusche, rasierte sich, packte seinen Toilettenbeutel, machte sein Bett und brachte seinen Seesack zur Haustür. Dann blieb nichts mehr zu tun, als der Familie gegenüberzutreten.
    »Und – werd ich euch fehlen?«, schmetterte er fröhlich, als er in die Küche kam, aber die Frauen glotzten ihn nur starr vor Schreck an. Sie fühlten sich elend. Er auch, aber wenn er das zeigte, würden sie sich noch elender fühlen. Die Küchenfenster schienen über Nacht laminiert worden zu sein, in den Scheiben nichts als glattes makelloses Grau. Windböen drückten wie ein Blasebalg gegen das Haus; harte Regenkügelchen trommelten und prasselten auf das Dach. Der erste Wintersturm des Jahres preschte über die Plains, er gehörte zur selben Sturmfront, die am Thanksgiving Day Schnee und gefrierenden Regen bringen würde.
    »Wo fahrt ihr als Nächstes hin?«, fragte Patty. Beide Schwestern tranken nur Kaffee und sahen Billy beim Essen zu. Denise war pausenlos

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