Die irre Heldentour des Billy Lynn
geschweige denn als Bittsteller an sie herantreten möchte. Wohl ist ihm hier nicht. Er fühlt sich bloßgestellt, kleingemacht. Er hat sich, um es in aller schmerzhaften Wahrheit zu sagen, vor kaum fünf Minuten noch mehr wie ein Mann gefühlt. Die Spieler sehen entschieden martialischer aus als jeder im Team Bravo. Sie sind größer, stärker, dicker, böser, sie könnten mit ihren LKW-Kinnen kleine Gebäude plattmachen, und ihre Oberschenkel sind ausgebuchtet wie Trägerbalken. Diese Typen pumpen Testosteron, und ihre kriegerische Aura nimmt exponentiell zu, sobald sie sich für das Spiel sammeln. Haben diese menschlichen Gebirge nicht auch so schon genug Masse? Nein, sie haben auch noch ausgeklügelte Shock-and-Awe-Gerätschaften am ganzen Körper, reihenweise Hüftpolster, Schenkelpolster, Kniepolster, diese Brustpanzer mit eingebautem Auftrieb, lauter Hightech-Elaborate aus Schaum- und anderem Stoff, Klettverschlüsse und ineinander verschränkte Schalen mit umlaufenden Extraspoilern zum Schutz der Rippen. Bandagen für die Hände, Bandagen für die Handgelenke. Ballenpolster. Ellbogenpolster. Unterarmpolster.Und in jedem oberen Spindfach stehen nicht weniger als vier Paar nagelneue Schuhe.
Das ganze Gerät, dieses ganze Zeugs deprimiert Billy noch mehr. Was für eine Öde das mit sich bringt, so Spieler brauchen doch mehr Zeit zum Anziehen als die verhätscheltsten Models und Filmstars, und genauso sehen sie aus, knurrig und zugeknöpft, total ins ritualisierte Auftakeln versunken. Sie wollen nicht genervt werden, was Billy versteht; das ist etwas Mentales, der Geist zieht Nahrung aus dem Körper, der Kopf muss so eingestellt werden, dass er mit heftigen Schmerzen klarkommt, denn Aggression gegen die eigenen Mitmenschen ist keine Bagatelle. Kenn ich, Alter! Kann ich total nachfühlen! Billy weiß genau, was da abläuft, erkennt sogar die aus den Spinden dröhnende Schmerzmusik wieder, aber darüber ein Gespräch anzufangen, kommt ihm vor wie reine Ranwanzerei.
Er lässt sich ein Autogramm von Kervan McClellan geben, weil, na ja, der steht da gerade, wär doch unhöflich sonst. Dass das Kervan McClellan ist, weiß er nur, weil Name und Nummer in kecken Kritzeln oben auf dem Spind stehen. Er geht weiter zu Spellman Taylor #94, Tucker Rubel #55, DeMarcus Carey #61. Alle erledigen den Job profimäßig. Sie nehmen den Filzstift und kritzeln ihren Namen, die meisten gucken nicht mal hoch. Ein paar schaffen es immerhin, kurz zu nicken, wenn er sich bedankt. Insurain Kashkari #81. Tommy Budznick #78. Billy kommt zu Ed Crisco #99, einem weißen Koloss, der sich gerade den Brustpanzer von einem Trainerassistenten festziehen lässt. Er steht vollkommen reglos mit ausgestreckten Armen da und sagt kein Wort, zwinkert nicht, starrt nur stur geradeaus wie ein Zugtier, das sich auch heute wieder unters Joch begibt.
Billy beschließt, Ed Crisco nicht zu behelligen. Auch zwei dünne, blasse, völlig kahlköpfige Kinder hätten gern Autogramme und ziehen in Begleitung zweier tapfer lächelnder Elternpaareund je eines Cowboys-Mitarbeiters durch die Kabine. Die Haut der Kinder schimmert wie gebleichtes Silber, hohe Zirruswolken strahlen so. Es muss etwas ziemlich Schlimmes sein, was die beiden haben; sie sind in einem so krassen Zustand, dass Billy nicht mal erkennen kann, ob sie Jungen oder Mädchen sind.
Er geht weiter. Durrell Sisson #33. D’Antawn Jeffries #42. Octavian Spurgeon #8. Octavian spricht sogar, als er den Ball nimmt.
»Wie’s die Lage?«
»Stabil. Und selber?«
Octavian nickt. Er sitzt auf einem Stuhl vor seinem Spind, komplett bis auf den Helm spielfertig aufgetakelt. Er ist wie aufgezogen, aber cool, breite Schultern, schmale Hüften, eine spitz zulaufende lange Nase, hohe fast zarte Wangenknochen. Raffinierte Tattoos schlängeln sich den Hals hoch und ringeln sich um die Arme, das schwarze Halstuch ist im Nacken geknotet. Er kratzt mit dem Stift quer über den Ball und gibt ihn Billy zurück.
»Danke.«
»Kein Thema. Joh, Moment noch.«
Billy geht wieder zurück. Eine Sekunde lang scheint der Cowboy nach Worten zu suchen.
»Also, du warst im Irak und so?«
»Äh, ja.«
Wieder scheint er nach Worten zu ringen. Billy hat kurz den Verdacht, dass der Cowboy am Boxersyndrom leidet, von jahrelangen Schlägen auf den Kopf, aber seine Augen sind flink und wach.
»Wie is’n da so?«
»Wie’s da is? Na ja, heiß. Trocken, Dreckig. Stinklangweilig, die meiste Zeit.«
Octavians Aussprache ist eher
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