Die irre Heldentour des Billy Lynn
gemurmelter Matsch. »Aber du warst doch anner Front da oder was? So im Gefecht auch?«
»Ein paar Mal im Gefecht war ich auch, ja.«
D’Antawn und Durrell kommen dazu. Sie haben eine ähnliche Physiognomie wie Octavian, geschmeidig, dunkel, extrem kontrolliert. Die drei Spieler wechseln einen Blick, den Billy nicht interpretieren kann.
»Boah, echt krass, Mann. Aber haste auch mal wen erwischt, wo du das gesehn hast? So, du ballerst los, und die fallen um, so was auch?«
So was. Auf die Idee, dass er nicht antworten muss, kommt Billy nicht.
Ja, sagt er. Die Spieler gucken sich an. Billy merkt, dass das ein starker Moment für sie ist.
»Und wie is das so? Ich mein, so, wie fühlt sich das an?«
Billy schluckt. Die harte Frage. Genau die Stelle, an der er blutet. An der wird er eines Tages eine Kirche errichten müssen, falls er den Krieg überlebt.
»Es fühlt sich nach gar nichts an. Jedenfalls solange es passiert.«
»Hng. Ah ja.« Noch ein paar Spieler sind herübergeschlendert. Die komplette Cowboys-Rückraumverteidigung steht jetzt um ihn herum, wie Billy feststellt. »Und was haste da so dabei?«
»Was ich dabeihabe? Kommt drauf an. Kommt auf den Einsatz an und auf meinen Befehl jeweils. Die meiste Zeit ein M4, Standardsturmgewehr, halbautomatisch. Ich hatte auch ein paar Mal ein M240, das ist vollautomatisch, hohe Feuerrate, neunhundertfünfzig Schuss pro Minute. Und wenn man oben auf dem Humvee eingesetzt wird, hat man die Fünfzig-Kaliber-Bordkanone.«
»So’n M4, was für Munition hat’n das?«
»5,56 mm.«
»Haste auch was für die Hand?«
»Beretta, neun Millimeter.«
»Schon mal benutzt?«
»Klar.«
»So von nah?«
Billy nickt.
»Geben die euch auch Messer?«, fragt Barry Joe Sauls, ein Weißer in dem Alter, in dem man die meisten Haare ruhig eingebüßt haben darf.
»Kampfmesser«, sagt Billy. »Aber man kann so ziemlich jede Klinge tragen, die man will. Viele holen sich ihre eigenen Messer online.«
»Was is’n mit Kalaschnikows«, will jemand wissen, »habt ihr die auch?«
»Das AK 47 ist eine Rebellenwaffe, so was kriegen wir nicht. Aber viele Jungs haben unterwegs welche eingesammelt.«
»Sind die schlimm?«
»Ziemlich. AKs haben mehr Feuerkraft, fast schrotflintenmäßig. In die Schusslinie will man definitiv nicht kommen.«
»Aha. Auuuu.« Octavian guckt seine Teamkollegen an und kaut kurz auf seiner Lippe herum. »Und so dein M4, was macht das so? Wenn du wen damit umbumst?«
Billy lacht, aber nicht weil es komisch ist. Es ist eigentlich gar nichts. Er überlegt, ob gar nichts überhaupt ein Gefühl ist oder einfach nichts.
»Na ja, der ist am Arsch.«
»So, mit ei’m Bums? Das reicht, seh ich das richtig?«
»Beim Körperschuss, nee. Das ist Hochgeschwindigkeitsmunition, die geht normalerweise glatt durch. Aber am Boden ist der erst mal, ja.«
»Is aber nicht tot.«
»Mit einem Körperschuss eventuell nicht. Deshalb zielen wir aufs Gesicht.«
Die Spieler holen Luft. »Hmmh«, schnalzt einer, als ob er gerade auf etwas Saftig-Süßes gebissen hätte.
»Dieses M240«, sagt Saul, »das ist vollautomatisch, hast du gesagt. Was macht denn das?«
»Was das macht ? Scheiße, wie soll ich sagen. Das 240er ist das Böse in Reinkultur.«
»Ja?«
»Wenn du damit einen erwischst, den zerreißt’s total.«
Bevor sie ihn weiter ausfragen können, sagt Billy Danke viel Glück war nett mit euch zu reden und geht. Er hat definitiv die Nase voll vom Autogrammeinsammeln, die ganze Veranstaltung hier ist offenbar noch sinnloser und blöder als gedacht. Er lässt verstohlen den Blick schweifen und entdeckt Dime, der am anderen Ende auf der riesigen Flipchart die Spielaufstellung studiert. »Also, wenn das nicht Demokratie ist«, brummt Dime, als Billy hinter ihm ankommt, »und nicht Kommunismus, was ist das dann?«
»Was ist was?«
»Ach, nichts. Amüsierst du dich, Billy?«
»Doch, schon.« Billy rückt dichter an Dime und senkt die Stimme. »Ein paar von den Typen hier sind verrückt, Sergeant. Nicht richtig im Kopf.«
Dime lacht. »Und was sind wir?«
Was auch immer. Auf Dimes Football, stellt Billy fest, ist kein einziges Autogramm.
»Sergeant, können wir mal reden?«
»Ja.« Dime vertieft sich wieder in die Aufstellung.
»Ist was eher Persönliches.«
»Na los, einen besseren Freund als mich findest du nie.«
»Also, passiert ist, also, ich hab ein Mädchen kennengelernt. Ich mein, heute. Ist noch nicht lange her. Eine Cheerleaderin, nämlich.«
Aus Dimes
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