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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Saint-Germain hergerannt kam. Ich nahm ihn bei der Hand, ohne darüber nachzudenken, und wir rannten mit. Ich war selig. Doch schon nach ein paar Schritten blieb er abrupt stehen und zog mich in eine Seitenstraße.
    ›Bist du zu müde?‹, fragte ich enttäuscht.
    ›Ja, aber darum geht es nicht‹, sagte er. ›Wenn mich die Polizei schnappt, kriege ich Probleme. Mein Pass sagt, dass ich Spanier bin. Sie würden mich in mein Land schicken, und da würde dann automatisch ein politischer Gefangener aus mir.‹
    Seine Angst machte großen Eindruck auf mich.
    ›Und warum bleibst du nicht hier?‹, schlug ich ihm in aller Unschuld vor. ›Geh nicht nach Spanien zurück, meine Freunde können dir hier eine Arbeit suchen … Du könntest bei uns bleiben. Du schlägst dich ja sogar auf Französisch durch.‹
    Er rang sich ein Lächeln ab und suchte ein paar Augenblicke nach den richtigen Worten.
    ›Danke, aber das ist nicht möglich. Ich bin einer von denen, die es nicht hinkriegen, an einem Ort zu bleiben.‹
    Diese extravagante Antwort hätte mir eine Warnung sein sollen, aber ich war an dem Abend aus einem Schrank gestiegen wie aus einer Zeitmaschine, ich war in einer anderen Dimension gelandet, und das Einzige, was mir zu sagen in den Sinn kam, war: ›Verstecken wir uns bei mir zu Hause. Es ist nicht weit. Und auf dem Weg zeige ich dir, was von dem Viertel noch übrig ist.‹«
    Ich komme schon zum Ende, Christofs. Chris hat ja einen Wust von Seiten gebraucht, ich bin da etwas bescheidener. Mir bleibt es jetzt nur noch, rasch ein paar lose Enden zu verbinden.
    Also, Gabriel blieb bis zum Morgen bei Mireille. Die beiden allein. Strengt euch nicht an: Alle Vergleiche zwischen dem Getümmel dieser Nacht im Quartier Latin und dem, was in der Kommune an der Place de la Contrescarpe unter der Bettdecke vor sich ging, habe ich garantiert schon selbst gezogen. Und ja, unser Vater Gabriel, der war wirklich ein Situationist! Er wusste immer, wo er zu sein hatte.
    Als es schon hell wurde, kehrte er in die Wohnung in der Rue de l’Estrapade zurück. Um aufbrechen zu können, hatte er Mireille versprechen müssen, er werde sich das mit dem Auswandern nach Paris überlegen – sie nannte es »ins Exil gehen«.
    Die Straßen sahen verwüstet aus. Überall herausgerissene Pflastersteine, zerschmetterte Laternen, hier ein verlorener Schuh, da ein verkohltes Transparent. Noch immer hörte man Sirenen und fernes Geschrei vom Seineufer her. Gabriel huschte wie der Schatten eines Spitzels an den Rändern des Schlachtfelds entlang. Kurz vor dem Ziel erblickte er einen anderen Schatten, der ihm entgegenkam. Beide hielten an und beäugten sich aus der Distanz.
    »Gabriel!«, zischte schließlich der andere.
    »Scheiße, Petroli, du bist es!«
    Eine aus Murcia. Diesmal hatte ihn eine aus Murcia aufgehalten.
    Um neun Uhr, nach vier Stunden Schlaf, gingen sie zum Pegaso. Auf dem Weg frühstückten sie in einem Café am Boulevard Raspail. Bundó, der am wachsten war, rief Herrn Casellas an, der das Wochenende in seinem Landhaus in Caldetes verbrachte. Er erklärte ihm, dass die Gendarmen sie die ganze Nacht nicht hätten losfahren lassen, der Demonstrationen wegen, dass sie nun aber bald wegkämen. Inmitten der Flüche des Chefs legte er auf und freute sich an dem Privileg, ihn an einem Samstagmorgen mit schlechten Nachrichten aus dem Bett geholt zu haben.
    Ehe sie starteten, teilten sie am Friedhof von Montparnasse den Inhalt der abgezweigten Umzugskiste auf. Als sie zweieinhalb Monate später, an einem Samstag Ende Juli, wieder nach Paris kamen, eilte Gabriel zu Mireille. Meine Mutter wiederholte ihren Appell, er solle hier mit ihr »ins Exil gehen«, und um der Aufforderung noch mehr Gewicht zu geben, eröffnete sie ihm, dass sie schwanger war. Sie hatte noch so gut wie keinen Bauch, und bei dem weiten Kleid, das sie trug, sah man es gar nicht.
    »Ist es von mir – c’est à moi ?«, fragte er so verblüfft, als wäre es das erste Mal. Sie saßen auf dem Boden, im Kreis mit den übrigen Bewohnern, die Gabriel soeben kennengelernt hatte. Da ihm ein Arbeiterruhm vorauseilte, waren Justine und die anderen verzaubert und konnten den Blick kaum von ihm abwenden. Sie rauchten und tranken Wein. Es war Mittag. Die Fenster standen offen. Sie hörten Musik aus dem Radio. Mit dem Sommer und dem Ende des Studienjahres hatten sich die Proteste gelegt, zumindest in Paris.
    »Ja, es ist von dir«, sagte Mireille. »Aber du sollst wissen, es wird das

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