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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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lassen. Auf sechzig Quadratmetern, mit toten Winkeln und undichten Wänden, drängten sich zwei Zimmer, Küche, Esszimmer und Bad. Ich weiß das, weil ich eines Tages, als wir wieder einmal dabei waren, nach Spuren unseres Vaters zu suchen, dorthin ging und sie mir ansah. Es war ein Samstagvormittag. Ich hing eine Weile an der Gegensprechanlage fest, weil die Dame, die da nun wohnt, mich erst für einen Zeugen Jehovas, dann für einen Lexikonverkäufer hielt. Am Ende kam sie darauf, dass ich ein Journalist sein könnte, und ließ mich herein. Ich trat durch die Tür und war entsetzt. Ein trostloser Anblick. Dreißig Jahre nach dem Bau hatte ein Architekt festgestellt, dass die Träger mürbe geworden waren. Als provisorische Lösung hatte man einen Wald von eisernen Stützstangen in das Gebäude hineingestemmt. Um ins Innere der Wohnung zu gelangen, musste ich eine Art Tunnel durchqueren.
    »Kann sein, dass es modrig riecht, wegen der Feuchtigkeit«, warnte mich die Frau. »Ich selbst merke es nicht mehr.«
    Ich vertuschte meine Aufgewühltheit, so gut es ging, während ich mich Zimmer für Zimmer durch diesen Bunker arbeitete. Ein paar frivole Sekunden verbrachte ich mit dem Gedanken, dass all dieser Verfall noch von den unglücklichen Tagen unseres Vaters herrühre, wie Spätfolgen einer Krankheit. Mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit – sie hielt das Desaster schon zwei Jahre aus – machte die Dame Kaffee, und wir tranken ihn im Esszimmer. Ich kam mir vor, als säße ich in einem verlassenen Kohlebergwerk. Der einzige Trost kam von einem gelben Kanarienvogel, der in einem Käfig trällerte, und einem Radiorekorder, aus dem Boleros von Antonio Machín erklangen. Diese Fliesen waren es, dachte ich da, auf denen Bundó bei der letzten Weihnachtsfeier seines Lebens wie ein Besessener herumgetanzt war.
    Die Dame, eine Witwe jenseits der sechzig, wollte mir die Papiere zeigen, die sie als Eigentümerin der Wohnung auswiesen. Sie hatte sie immer zur Hand, in einer Plastikmappe, falls die Journalisten kämen oder die Inspektoren vom Amt. Ich erkannte Carolinas Unterschrift wieder. Der Kaufvertrag datierte vom Juni 1979, und zu gerne hätte ich gewusst, wie das Abkommen zwischen Gabriel und Carolina ausgesehen hatte. Fest stand, die Wohnung war während der sieben Jahre, die er dort lebte, weiter auf ihren Namen geführt worden. Ich fragte die Dame, ob sie sich erinnere, mit wem sie den Vertrag gemacht hatten, doch ihr Gedächtnis ließ sie im Stich. Was sie mir aber sagte, war, dass sie und ihr Mann beim Einzug eine Menge vom Vorbesitzer hinterlassenes Zeug vorgefunden hatten. Das meiste war Nippes gewesen, und sie warfen es weg, aber zu zwei oder drei Stücken hatten sie Zuneigung gefasst. Ich fragte, ob sie mir etwas davon zeigen könne, und sie wies auf zwei Bilder an der Wand. Es waren die beiden Herbstlandschaften, schlechte Imitationen der Schule von Olot, die Bundó bei der Beuteaufteilung des letzten Umzugs, Nummer 199, abbekommen hatte. Er selbst konnte sie nicht mehr aufgehängt haben, also schloss ich, dass Gabriel es gewesen war. Ah, und bevor ich wieder ging, Christofs, erlaubte ich mir noch einen Scherz, der euch gefallen wird. Ich pries die Qualität der beiden Gemälde und sagte der Dame, sie stammten von einem sehr guten Maler, der aber zu Lebzeiten wenig Anerkennung gefunden habe. Hinter den Initialen S.   B., mit denen sie signiert waren, verberge sich ein gewisser Serafí Bundó.
    »Der Name sagt mir was«, erwiderte mir die reine Seele, und ohne es zu wissen, machte sie mich damit glücklich.
    In den wenigen Monaten, die er dort leben konnte, hatte Bundó die Wohnung nach seinem Geschmack eingerichtet und das kleinste Zimmer als einziges nicht tapeziert und leer gelassen. Das sei das Kinderzimmer, sagte er immer, aber wenn Carolina ihn zurechtwies, sie wolle keine Kinder, das habe sie ihm tausend Mal gesagt, korrigierte er sich und sagte, es sei das Gästezimmer. Und gerade dieses Zimmer bezog unser Vater. Es war etwa neun Quadratmeter groß und hatte ein Fenster zum Lichthof. Da die Wohnung sich im sechsten Stock und damit auf halber Höhe des Gebäudes befand, musste er es immer geschlossen halten, weil ihm sonst die Küchendüfte aller Nachbarn von unten hereinströmten. Gabriel kaufte sich eine Matratze, einen Lattenrost und einen Nachttisch, dann verteilte er seine Besitztümer in derselben Ordnung wie in der Pension. Man könnte sagen, es fehlte nur der Falke.
    Man soll aber dieses

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