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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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eingefahren, und sie können unbeaufsichtigt umherschweifen. Die endlose Ebene steht ihnen zur Flucht offen, so weit das Auge reicht. Wenn sie wollten. Aber sie sind nicht geflohen. Das ist natürlich leicht zu verstehen. Jedes Hepra, das den Schutz der Glaskuppel verlässt, ist nachts Freiwild. Binnen zwei Stunden wäre es aufgespürt, zur Strecke gebracht und verschlungen. Das ist tatsächlich schon vorgekommen. Ein- oder zweimal.« Er führt es nicht weiter aus.
    »Mythos Nummer zwei: Sie sind passiv und unterwürfig, eher bereit, sich zu ergeben, statt sich zu wehren. Ironischerweise ist dieser Mythos von früheren Hepra-Jagden weiter befeuert worden, bei denen die Hepra keinerlei Widerstand geleistet haben. Historische Berichte von diesen Jagden lassen ihre ganze Hilf- und Nutzlosigkeit erkennen: zunächst ihre langsame und unorganisierte Flucht, dann ihre unterwürfige Kapitulation, als wir sie umzingelt hatten. Sie kapitulierten bereits, als wir noch zwei Meilen entfernt waren. Blieben einfach stehen. Und als wir sie erreichten, hat sich keines gewehrt, keines hat auch nur einen Arm gehoben. Die haben sich uns praktisch dargeboten.
    Forschungen haben jedoch gezeigt, dass man Hepra Aggressivität antrainieren kann. In der Handhabung der Waffen, die wir ihnen zur Verfügung gestellt haben, sind sie erstaunlich geschickt geworden. Es sind natürlich nur primitive Waffen wie Speere, Messer, Dolche und Äxte. Und sie haben sich sogar einen Lederschutz für den Hals gebastelt. Einfach rührend, die naiven Schätzchen.« Er kratzt sich am Handgelenk, hält inne und schreibt etwas in sein Notizbuch. »Wie sie an das Leder gekommen sind, wissen wir nicht. Sie können erstaunlich erfinderisch sein.«
    Wir warten still, bis er zu Ende geschrieben hat. Er klappt das Notizbuch zu und spricht weiter.
    »Mythos Nummer drei: Ihre Gemeinschaft ist männlich dominiert. Auch dieses Märchen wurde durch frühere Jagden weitergetragen. Ihr kennt es wahrscheinlich gut: Immer übernehmen die Männchen die Verantwortung – erfolglos, versteht sich; die Männchen treffen sämtliche Entscheidungen – die falschen, wie wir ebenfalls wissen. Die Weibchen tun typischerweise nichts anderes, als ihnen zu folgen. Unterwürfig. Wir dachten, das wäre schlicht ihre genetische Veranlagung: Männchen herrschen, Weibchen unterwerfen sich. Aber bei unseren Forschungen haben wir einige verblüffende Ergebnisse erzielt. Im Augenblick halten wir fünf Hepra in Gefangenschaft, bis auf eins alle Männchen. Also vier Männchen und nur ein Weibchen. Und jetzt ratet mal, wer der Anführer ist?« Seine Augen funkeln aufgeregt.
    »Das ist die Erkenntnis, die uns mit am meisten überrascht hat. Genau genommen habe ich diese Entwicklung als Erster beobachtet. Schon als die Hepra noch Kleinkinder waren, habe ich bemerkt, dass das einzige Hepra-Weibchen offenbar immer im Vordergrund stand. Eine geborene Anführerin. Heute ist sie ohne jede Frage die Rudelführerin. Sie folgen ihr in … nun ja, allem. Wo sie hingeht, gehen sie auch hin. Ihre Befehle werden ausgeführt. Wenn ihr während der Jagd den Kopf vom Körper trennen wollt, solltet ihr sie als Erste ausschalten. Ohne sie wird die Gruppe rasch auseinanderfallen. Und danach sind sie leichte Beute.«
    Er leckt sich die Lippen.
    »Dieses Weibchen habt ihr übrigens alle schon gesehen. Im Fernsehen – es hat die letzte Zahl gezogen. Das war natürlich eigentlich nicht geplant. Wir hätten nie Bilder eines Hepra-Weibchens ausgestrahlt, noch dazu eines so jungen. Wir wissen, welche Wirkung so etwas auf die Leute hat. Es sollte eigentlich ein kleines Hepra-Männchen sein. Aber das Weibchen … nun ja, ehe wir uns versahen, hatte es die Situation unter Kontrolle gebracht und sich vor der Kamera platziert. Dieses Weibchen …« Seine Aussprache wird feucht, sein Blick schweift in die Ferne; er hat sich in einem Traumland verloren. Als er weiterspricht, ist seine Stimme ganz sanft vor Sehnsucht. »Es wäre einfach köstlich, also …«
    Mit einem Kopfzucken reißt er sich aus seinem Tagtraum. »Aber ich schweife ab. Ich bitte um Verzeihung. Der Offizielle, der das zugelassen hat, ist nicht mehr bei uns.«
    Er kratzt sich ein-, zweimal am Handgelenk.
    »Es gibt noch andere Mythen«, fährt er fort, »und weitere Entdeckungen, die wir euch in den nächsten paar Tagen enthüllen werden. Nutzt dieses neue Wissen bei der Jagd: Erstens, Hepra fürchten sich, ins Unbekannte zu fliehen; zweitens, man kann ihnen

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