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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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keine Ausbildung. Wir haben unseren Instinkt, wir haben unseren Appetit. Was brauchen wir sonst noch?«
    »Wir müssen es in die Länge ziehen. Den Augenblick auskosten. Vorfreude ist der halbe Genuss.«
    Nun mustert er mich, nur kurz, aber aufmerksam. Ich spüre, wie sein Gehirn arbeitet. Und dann seine Anerkennung.
    Ich habe ihn gestern Nacht ein wenig beobachtet. Er ist mir aufgefallen und nun weiß ich auch, warum. Er möchte nicht hier sein. Alle anderen Jäger (bis auf mich) sind ekstatisch, sie haben gerade buchstäblich die Lotterie ihres Lebens gewonnen. Aber er läuft mit schlurfenden Schritten, und seine Augen glänzen nicht vor Vorfreude, wie die der anderen. Alles an ihm drückt Widerwillen aus, kurzum, er verkörpert all das, was ich innerlich fühle. Ein Gedanke schießt mir durch den Kopf, doch ich verwerfe ihn gleich wieder. Keine Chance, dass auch er ein Hepra ist. Ein echter Hepra (wie ich) würde diese Empfindungen verbergen (wie ich) und nicht für jedermann sichtbar heraushängen lassen wie schmutzige Unterwäsche.
    Als ich ihn betrachte – seinen steifen, von Rheuma und Alter gezeichneten Gang –, wird mir klar, warum er so mürrisch ist. Er weiß, dass er keine Chance hat. Nicht gegen die jüngeren Jäger, die schneller und stärker sind als er. Bis er die Hepra erreicht hat, wird nicht mal ein Knochen zum Abnagen übrig sein. Für ihn ist diese Hepra-Jagd die reinste Folter – so nah vorm Ziel und doch so weit entfernt. Kein Wunder, dass er verbittert ist. Er ist ein ausgehungerter Mann bei einem Festmahl, der weiß, dass für ihn nicht mal ein paar Krumen abfallen werden.
    »Hier läuft mehr ab, als es auf den ersten Blick scheint«, sagt er, immer noch über die Glasplatte gebeugt.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also warte ich darauf, dass er weiterredet. Aber das tut er nicht. Er schlurft zu den anderen und lässt mich alleine stehen.
    Nach der Besichtigung der Labors im zweiten Stock werden wir in den dritten Stock geführt. Wir durchqueren ihn eilig, im Grunde ist es nicht mehr als eine Reihe unbenutzter Klassenräume, die Stühle stehen auf den Pulten. Am anderen Ende gibt es eine Aula. Wir stecken unseren Kopf durch die Tür und werfen einen Blick hinein. Es riecht muffig und feucht. Niemand will sich tiefer vorwagen, also gehen wir weiter.
    Schließlich landen wir im obersten Stock, dem vierten, der komplett vom Kontrollzentrum belegt ist. Hier geht es entschieden geschäftiger zu. Es ist offensichtlich das Nervenzentrum der gesamten Einrichtung. Zahlreiche Monitore leuchten von einem bis zum anderen Ende des Raumes. Mitarbeiter mit Klemmbrettern wuseln zwischen Schreibtischen, Kabinen und Computern hin und her. Es sind ausschließlich Männer in einreihigen blauen Jacketts mit spitzem Revers und Doppelschlitz, aber körperbetont und tailliert geschnitten. Jedes Jackett hat drei Knöpfe, die ein blasses quecksilbriges Licht ausstrahlen. Neugierig werfen die Männer verstohlene Blicke in unsere Richtung. Wir sind schließlich die Hepra-Jäger.
    Statt der üblichen Betonwände ist der Raum vom Boden bis zur Decke verglast, sodass wir einen fast unverstellten Panoramablick auf die Umgebung haben. Von hier sieht es aus, als würden wir über der mondbeschienenen Ebene schweben, die sich unter uns erstreckt.
    Die Gruppe tritt an das Ostfenster. Die Kuppel. Alle wollen die Kuppel sehen.
    Aus der Entfernung sieht sie klein aus, wie eine halbierte Murmel, die matt unter den Sternen glänzt.
    »Es gibt nichts zu sehen«, sagt ein Begleiter. »Nachts schlafen sie nur.«
    »Kommen sie niemals raus?«
    »In der Nacht praktisch nie.«
    »Mögen sie die Sterne nicht?«
    »Die Leute. Sie mögen die Leute nicht, die sie beobachten.«
    Wir starren schweigend.
    »Es ist fast so, als wüssten sie, dass wir sie beobachten«, flüstert einer der Jäger.
    »Ich wette, ein ganzer Haufen von ihnen starrt in diesem Moment aus einer der Hütten zu uns zurück, während wir hier sprechen.«
    Wir blicken alle angestrengt in die Dunkelheit, in der Hoffnung, irgendeine Bewegung auszumachen. Aber nichts rührt sich.
    »Ich habe gehört, bei Sonnenaufgang wird die Kuppel geöffnet.«
    Die Begleiter sehen sich an, unsicher, ob sie antworten dürfen.
    »Ja«, sagt einer von ihnen. »Es gibt Sonnenlichtsensoren, von denen die Kuppel gesteuert wird. Zwei Stunden vor Anbruch der Abenddämmerung wird die Kuppel aus dem Boden gefahren, eine Stunde nach Morgengrauen wird sie wieder eingefahren.«
    »Es gibt

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