Die Jaeger der Nacht
geöffnet würden, denn der Raum, in dem wir warten, ist eng und unbelüftet, wodurch mein Geruch noch verstärkt wird.
Hagermanns Kopf zuckt heftig in meine Richtung. Er zischt nicht nur, er sabbert auch stark. Dummerweise treffen sich unsere Blicke. Er starrt mich mit dämmernder Erkenntnis an, blinzelt, blinzelt mit neuer …
Genau in diesem Moment schwingt die Doppeltür auf, und wir werden eingehüllt von einer Wolke aus Dampf und Rauch. Unter aufgeregten Schreien stürmen wir in den Raum. Ich bin überrascht von seinen Ausmaßen, der hohen, gewölbten Decke (gerundet wie bei einem überdachten Sportstadion) und dem weitläufigen, staubigen Boden unter uns. Die Hepra-Luke ist genau in der Mitte der Arena, zehn Pfosten stehen gleichmäßig um sie verteilt. Wir zerstreuen uns eilig wie Kinder, die Holzpferde auf einem Karussell stürmen. Wie Flatterkleid gesagt hat, gibt es mehr als genug für uns alle, doch das verhindert das folgende Getümmel nicht. Es geht um die Leckerbissen. Die Jäger kämpfen um die Pfosten mit den Leckerbissen, die ihrer Vermutung nach für das Hepra am attraktivsten sind. Body und Ashley June liefern sich einen Zickenkrieg um den Pfosten vor einem Bund Bananen.
»Ich war zuerst hier«, keift Ashley June.
»Nun, ich bin schon angeschnallt«, zischt Body zurück und lässt eine Schnalle an dem Riemen um ihren Knöchel zuschnappen. »Siehst du? Zu. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht mehr raus.«
Mir gegenüber kabbeln sich Rotlippchen und Mucki um einen Pfosten vor ein paar Maiskolben. Mein Blick wandert zu Hagermann, der mich mit glühenden Augen fixiert wie eine Fledermaus. Ich kann seine Miene nicht deuten, aber ich spüre seine Verwirrung. Er versucht immer noch, aus mir schlau zu werden, und fragt sich, ob der Hepra-Geruch, den er gewittert hat, wirklich von mir kam.
Ich beachte ihn nicht weiter, sondern beschäftige mich mit meinen Riemen. Es gibt vier Metallschnallen, die unsere Knöchel und Handgelenke fixieren, jede hängt an einem dicken Lederriemen, der an dem Pfosten befestigt ist. Selbst angeschnallt haben wir relativ viel Bewegungsfreiheit, bis zu einer Körperlänge von dem Pfosten entfernt. Aber solange das Hepra den von den Leckerbissen abgesteckten Kreis nicht verlässt, ist es sicher.
Ein Begleiter kommt mit unbewegter Miene herein und gibt jedem von uns eine dunkle Brille. »In ein paar Minuten wird das Licht eingeschaltet«, murmelt er, »damit das Hepra etwas sehen kann.« Er überprüft unsere Riemen, am längsten die von Hagermann, die viel zu locker sind. Hagermann beschwert sich und hebt einen Arm. Dabei rutscht sein Hemd aus der Hose und er stopft es rasch wieder in den Bund.
Doch nicht schnell genug. Ich sehe ein mattes Glitzern an seinem Gürtel, lang und geschwungen wie die Klinge eines Dolches.
Ein unbehagliches Gefühl kribbelt in meinem Nacken. Als der Begleiter meine Riemen überprüft, bin ich kurz davor, etwas zu sagen, doch er geht weiter, bevor ich die Stimme erheben kann. In der Mitte der Arena bleibt er stehen und sagt: »Willkommen zur Introduktion, meine Damen und Herren.« Vor Verlassen des Raumes stampft er dreimal dumpf dröhnend mit dem Stiefel auf die Luke. Die Lichter in der Arena werden heller. Wir setzen eilig unsere dunklen Brillen auf.
Und warten.
Man hört ein mechanisches Surren von der runden Luke im Boden, gefolgt von mehrfachem roboterhaften Piepen. Die Luke öffnet sich einen winzigen Spalt und fällt, eine Staubwolke aufwirbelnd, genauso schnell wieder zu. Köpfe zucken zur Seite. Keine Sekunde später geht die Luke erneut auf, diesmal ein wenig weiter, genug, um die Umrisse eines Kopfes und zwei spähende Augen auszumachen.
Alle Jäger stürzen auf das Hepra zu. Beinahe gleichzeitig werfen sie sich gegen ihre Fesseln, springen hoch und prallen zurück auf den Boden.
Die Tür fällt wieder zu.
Im Handumdrehen sind alle wieder auf den Beinen und zerren an ihren Riemen. Auch ich stemme mich gegen meine Fesseln und werfe mit Schaum vor dem Mund den Kopf hin und her. Dabei verliere ich meine dunkle Brille.
Die plötzliche Helligkeit und die lebhaften grellen Farben in der Arena lassen mich blinzeln. Ich sehe die Jäger mit einer Klarheit, die sie lebendiger erscheinen lässt. Sie sind Tiere, bestialisch und von Hepra-Lust übermannt. Mucki und Rotlippchen haben angefangen, sich den Hals zu kratzen, ihre Nägel hinterlassen lange weiße Spuren auf der Haut. Ihr Mund steht weit offen und klappt dann zu wie eine
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