Die Jaeger der Nacht
hören und riechen. Die einzigen Sinne, die ihr – fürs Erste – natürlich nicht benutzen werdet, sind der Tast- und der Geschmackssinn. Aber das Hepra wird euch nah genug kommen. Ihr werdet es riechen können – ein echtes Hepra anstatt eurer hysterischen Einbildungen. Das wird euch den Kopf zurechtrücken. Bei neu eingestellten Mitarbeitern hat sich die Introduktion als ungemein erfolgreich erwiesen. Nach dieser Erfahrung waren sie keine Hepra-Jungfrauen mehr, ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren und nicht von schwachem Hepra-Geruch ablenken zu lassen, wurde deutlich verbessert. Wir glauben, dass dieses Programm genau das Richtige für euch alle sein wird.«
»Es halten sich also wirklich Hepra im Gebäude auf!«, sagt Hagermann laut und barsch. »Deswegen ist der Hepra-Geruch so stark!«
»Es gibt ein Hepra. Aber das habt ihr nicht gerochen. Es bleibt in seinem Quartier. Und die Luke, die ihr auf diesem Bild seht, ist mit Stahl verstärkt und von innen verriegelt. Dort drinnen ist es vollkommen sicher. Schon seit drei Jahren. Und das dumme Ding hat da drinnen genug Nahrungsvorräte für einen Monat.«
»Und wie bringt man es dazu, zur Introduktion herauszukommen? Woher wissen wir, dass es sich blicken lässt, wenn wir dort sind?«
Sie kratzt sich das Handgelenk. »Ich möchte nur so viel verraten: Wir bieten ihm ausgewählte Köstlichkeiten an, denen es nicht widerstehen kann. Obst, Gemüse, Schokolade. Außerdem weiß es, dass keine Gefahr besteht. Es hat diese Prozedur schon ein Dutzend Male durchlaufen und gesehen, dass alle sicher an ihre Pfosten gefesselt sind. Und solange es in der sicheren Zone bleibt und nicht zu nah an einen Pfosten herankommt, passiert nichts. Niemand kann es anrühren. Es kann nach Herzenslust Nahrung sammeln.«
»Ist es dasjenige, das …«
»Also wirklich«, unterbricht Flatterkleid. »Wollt ihr mich jetzt weiter mit Fragen aufhalten oder wollt ihr nicht lieber runter in die Introduktionsarena gehen?«
Nach dem Tempo zu urteilen, mit dem wir hinausstürmen, ist diese Frage überflüssig.
Wir sind ausgelassen wie Schulkinder auf einem Ausflug zum Vergnügungspark. Wir brauchen fünf Minuten für den Weg bis zur Arena, genauer gesagt für unseren Abstieg dorthin. Wie sich herausstellt, sind die fünf überirdischen Stockwerke nur die Spitze eines kalten schwarzen Eisbergs. Unter der Erde gibt es zahllose weitere Etagen. Je tiefer wir hinabsteigen, desto kälter und dunkler wird es. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass noch irgendjemand in diesen Geisterstockwerken wohnt, arbeitet oder sie auch nur gelegentlich aufsucht. Wir steigen hinab in die Tiefen der Erde und mich überkommt eine zunehmende Platzangst.
Als wir in der untersten Etage angekommen sind, bin ich völlig fertig. Meine Knie fühlen sich an, als wären sie mit einem Vorschlaghammer bearbeitet worden, und in meinem Kopf dreht sich alles wie wild von dem Abstieg über die endlose Wendeltreppe. Niemand sonst ist erschöpft; wenn überhaupt, ist der allgemeine Energielevel eher gestiegen, und die Erwartung strebt ihrem Höhepunkt entgegen. Es gibt viel Geplapper und Zähneknirschen.
»Sind auch genug Pfosten für uns alle da?«, fragt Ashley June. Alle drängeln sich vor der geschlossenen Doppeltür.
»Keine Sorge«, antwortet Flatterkleid. »Es gibt zehn Pfosten und ihr seid nur sieben. Alle Pfosten sind gleich weit von der Mitte entfernt, niemand ist gegenüber den anderen im Vorteil. Vor jedem Pfosten wird etwas zu essen ausgelegt, sodass jeder die Gelegenheit bekommt, das Hepra von Nahem zu sehen.«
Trotz ihrer Worte drängeln die anderen immer noch. Ich drücke mich unauffällig zur Seite.
»Worauf warten wir?«
»Nur noch einen Moment. Oben müssen noch die Formulare bearbeitet werden. Wir bekommen Bescheid, wenn wir reindürfen.«
»Wie?«
Flatterkleid schüttelt den Kopf. »Ihr werdet schon sehen.«
»Ist es wirklich so toll, wie sie sagt?«, fragt Mucki seinen Begleiter.
»Besser. Unendlich viel besser.«
»Ich kann es riechen!«, sagt Fettwanst. »Stärker denn je!«
»Unsinn«, tadelt Flatterkleid ihn. »Das Hepra ist noch in seinen Kammern.« Aber sie wirkt selbst unsicher, ihre Nasenlöcher sind feucht und gebläht.
»Es ist derselbe Geruch! Wir haben die ganze Zeit dieses Hepra gerochen.«
Ich mache zwei Schritte zurück und verdrücke mich langsam.
»Er wird jede Sekunde stärker.« Weiteres Sabbern und Zittern.
Ich spiele mit. Aber es wäre besser, wenn diese Türen bald
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